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"Orlac's Hände", ein Klassiker des stummen deutschen Films, in dem der Horror aus dem eigenen Körper kommt. Und "La Fiancée du pirate/"Moneten für's Kätzchen" mit Bernadette Lafont, der Braut der Nouvelle Vague.

Von Fritz Göttler

Eine kleine französische Revolution von 1969, märchenhaft böse, Cinderella in der Provinz. "La Fiancée du pirate" von Nelly Kaplan hat auf dem Festival in Venedig für gute Stimmung gesorgt. Das Kaff Tellier, das sind vor allem leere Flure und widerborstiges Gestrüpp, ab und zu rast ein Auto über die Fernstraße. Ein solches erwischt eines Tages die Mutter von Marie, die beiden lebten in einer Hütte im Wald, mittellose Migranten, von der Gemeinde aufgenommen und ausgebeutet, durch Dienstleistungen und Sex. Nach dem Tod der Mutter kommt Unruhe in den Wald. Die Männer erschießen Maries Bock, von nun an gibt es bei Marie nichts mehr umsonst. Die Männer nörgeln und zahlen, die Tarife steigen. Die Frauen sind empört. "Moneten für's Kätzchen" war der deutsche Titel des Films. Bernadette Lafont, die Braut der Nouvelle Vague, ist das Kätzchen Marie, sie kann durch die Einnahmen Luxus in ihre Hütte bringen, und macht innerhalb kürzester Zeit eine wahrlich tolle Figur. Sie stopft die Hütte voll mit schreiend buntem Krempel, Pop par excellence. Das hart verdiente - oder unter Risiko geklaute - Geld der Männer zur Schau gestellt in einer Orgie der Nutzlosigkeit. Prostitution, ein Herzstück des Kapitalismus, wird ein surrealistischer Akt der Revolution. Am Ende lässt die Fiancée ihre verkohlte Hütte und eine skandalöse Tonbandaufnahme in der Kirche zurück und zieht fröhlich los auf der Fernstraße, der unbeschwerteste Marsch in die Freiheit. "Die Schönheit wird konvulsivisch sein", zitiert Nelly Kaplan mal André Breton, "oder sie wird nicht sein." (Pidax)

Eine andere Marie, Cinderella in der großen Welt. Maria Vargas, die in einer kleinen Bar tanzt, wird von Hollywoodianern entdeckt, die ihren Körper okkupieren und sie zum Star machen, in "The Barefoot Contessa" von Joseph L. Mankiewicz. Ava Gardner ist Maria, sie bewegt sich mit unvergleichlicher Natürlichkeit auch in der Welt des Scheins. Der Film wird bei Nelly Kaplan im Dorf Tellier vorgeführt, von einem ambulanten Kinovorführer, im Krämerladen, der einzige Anschluss an die Welt und ihre Träume, und wenn dann Marie zum Zuschauen kommt, ergibt sich zwischen Avas und ihrer leibhaftigen Präsenz ein irrer Stereoeffekt. Mitte August wird "Die barfüßige Gräfin" auf Blu-ray wieder herausgebracht (Studio Hamburg). Noch einmal Ava in mythischer Unnahbarkeit, in "Pandora and the Flying Dutchman", von Albert Lewin, mit James Mason als mysteriösem Holländer. Lewins Faszination von Ava ist vom Surrealismus geprägt, der die Zeit und ihre Schicksalhaftigkeit aufhebt in einem amour complètement fou. "The moving finger writes, wird aus dem Rubaiyat des Omar Chayyām zitiert, 'and, having writ, moves on." (Pidax)

Das "Seestück" von Volker Koepp, einer der schönsten Filme für den Sommer. Über die Landschaften und die Menschen der Ostsee. Einer von ihnen, ein Romanistikdozent, der mit seinen Studenten Fahrten auf seinem Segler unternimmt, steht am Steuerruder und erzählt vom Geruch der See und von Baudelaire, für den der Geruchssinn der wichtigste war. Der, auf dem man reisen konnte. (Edition Salzgeber)

Reisen und Davonfahren, die amerikanischen Highways, die zur Heimat werden, meistens ist eine große Summe Dollar im Spiel: "Kin", ein Roadmovie von Josh und Jonathan Baker, Zwillingen aus Australien, die in New York leben. Nicht die Familie ist die elementare Beziehung in Amerika, sondern die Bruderschaft. James Franco arbeitet sich daran ab und Jack Reynor, und dann gibt es noch eine galaktische Verbrüderung, denn der kleine Halbbruder Eli gehört in Wirklichkeit zu einer Gruppe Aliens. (Concorde)

Ein Horrorfilm, dessen Schrecken vom eigenen Körper kommt, "Orlac's Hände", 1924, von Robert Wiene, vier Jahre zuvor hatte er den "Caligari" gemacht. Das große Thema des deutschen stummen Kinos, das Zusammenspiel von Hirn und Herz und Händen. "Ich fühle, wie es aus euch heraufsteigt ... die Arme entlang ... bis hinein in die Seele ... Kalt, furchtbar, unerbittlich." Der Starpianist Orlac hat bei einem Unfall seine Hände verloren, aber das Klavierspiel ist sein Leben, darum werden ihm fremde Hände transplantiert, die des Mörders Vasseur. Und diese Hände ergreifen Besitz von ihm. Nach einem Roman von Maurice Renard, einer Krimifantasie, die die ganze Misere der Zwanziger vorwegnimmt. Der Film verleiht ihr durch die kalte Einsamkeit seiner Räume weiteres Grauen. Conrad Veidt ist Orlac, als seine Hände ihm fremd werden, versucht er sie immer weiter wegzustrecken vom Körper. Hoch emotional und erotisch ist die Szene, wenn er sich nach der Operation zum ersten Mal wieder mit seinem Flügel vereinigen will. (absolut medien/arte)

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