Mediaplayer:Mini-Krimis im Glitzerfummel

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Die Serie "Orson Welles erzählt", die in den Siebzigerjahren im englischen Fernsehen lief, erscheint nun erstmals auf Deutsch.

Von Sofia Glasl

Eine dicke Zigarre zuckt in der Nahaufnahme, nur langsam kommt das dahinter liegende schelmische Lächeln zum Vorschein, dann das dazugehörige vollbärtige Gesicht. Genüsslich pafft es den Rauch in Richtung Kamera. "Guten Abend, hier ist Orson Welles", brummt der legendäre Regisseur.

" Great Mysteries / Orson Welles erzählt", heißt diese Sendung, die nun zum ersten Mal auf Deutsch erschienen ist. Welles fungiert für diese 1973 produzierte Anthologie aus 25-minütigen Krimi-Episoden als Gastgeber und Ansager, in seiner Pose erinnert er an Alfred Hitchcock in dessen TV-Reihe "Alfred Hitchcock presents". Im Abspann zitiert er sogar das Schattenprofil des großen Kollegen mit Zigarre.

Die Folgen sind kurzweilige Vignetten, die nach einem sich wiederholenden Muster eine Betrugs- oder Mordszene präsentieren und diese dann durch einen gewitzten Twist im Plot auflösen. Besetzt mit Fernsehstars der Siebzigerjahre liegt der Unterhaltungswert vor allem in den skurrilen Charakteren, die hier auftreten; zudem hat die Mischung aus sehr klassisch-britischem Mobiliar und doch unverkennbarer Siebziger-Ausstattung mittlerweile einen ordentlichen Retro-Charme.

Da mischt Joan Collins im Glitzerfummel als prollig-trashige Version ihrer Paraderolle Alexis aus dem "Denver-Clan" ein gediegenes Geschäftsessen ihres Ehemannes auf. Und Patrick Macnee spiegelt seine Agentenrolle aus "Mit Schirm, Charme und Melone" in einem Katz- und Mausspiel mit Charles Gray, der einst den Bond-Bösewicht Blofeld spielte. Die Titelmusik ist von John Barry, der den Kultsound der James-Bond-Reihe prägte und hier statt der bombastischen Bläser mit einer beschwingt-rätselhaften Klaviermelodie den Ton der Reihe vorgibt.

Mit kurzen Gedankenspielen führt Welles in die Episoden ein, etwa mit literarischen Aphorismen von Oscar Wilde oder Charles Dickens. Ein erfolgloser Schriftsteller gibt sein letztes Geld aus, um nach London zu reisen, weil er ein Model heiraten will. Welles kommentiert das mit Wildes Ausspruch gegenüber einem Zollbeamten: Er habe nichts zu deklarieren außer seinem Genie - und grinst verschmitzt in sich hinein. Er sitzt zwar nicht im Ohrensessel und hat auch kein Monokel, das er sich vors Auge klemmt, doch nimmt Welles hier ganz selbstsicher die Rolle des augenzwinkernden Erzählonkels an. Mit in die Stirn gezogenem Hut und weitem Cape erinnert er aber auch an einen Zauberkünstler. Illusionen schaffen und Geschichten erzählen, das war sowohl im Leben wie auch im Film die Kunst, die Orson Welles perfektionierte. Wie kein anderer verschränkte er Wahres und Fiktion zu seinem größten Werk: seinem eigenen Mythos.

Dass er das hauptsächlich im Kino wie mit seinem Welterfolg "Citizen Kane" oder dem Film noir "Die Lady aus Shanghai", im Theater mit Shakespeare und im Radio mit beeindruckenden Literaturhörspielen wie H. G. Wells' "War of the Worlds" oder Hermann Melvilles "Moby Dick" verwirklichte, ist bekannt. Nicht jedoch, dass er auch lange versuchte, beim Fernsehen Fuß zu fassen. Nur wenige seiner TV-Projekte schafften es jedoch ins Programm. Zu schnell verlor Welles das Interesse, zu ambitioniert und abgehoben waren seine Projekte für die Zeit. Seine Talk-Sendung "The Orson Welles Show" war mit vielen Stargästen sehr kurzweilig, kam jedoch über die Pilotfolge nicht hinaus. Die "Orson Welles' Magic Show" war ähnlich wie seine Verfilmung von "Don Quijote" ein Projekt, das sich trotz Welles' Erfahrung mit Zaubershows über ein Jahrzehnt erstreckte und nie vollendet wurde.

"Orson Welles erzählt" lief 1973 und 1974 über 26 Episoden lang im britischen Fernsehen, war aber weit weniger erfolgreich als ähnliche Formate wie "Alfred Hitchcock presents" (1955 - 1965), oder Rod Sterlings "Twilight Zone" (1959 - 1965). In diesem Fall war Welles möglicherweise etwas spät dran, um auf dem bereits damals heiß umkämpften Fernsehmarkt zu überzeugen. Aber zumindest rückblickend trägt er mit dieser TV-Show eine weitere Facette zum Mythos des Erzählmagiers Orson Welles bei.

Eine Auswahl der TV-Serie Orson Welles erzählt ist als Box mit zehn Folgen auf zwei DVDs erschienen (ab 17,99 Euro).

© SZ vom 06.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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