Mediaplayer-Kolumne:Supermans Katze

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Nicolas Cage in neuer B-Ware: „Tödliches Versprechen“. (Foto: New KSM)

Nicolas Cage nimmt so ziemlich jede Rolle an, die man ihm anbietet. Deswegen spielt er in vielen Filmen mit, die in Deutschland nie ins Kino kommen. So etwa in dem famosen Thriller "Tödliches Verlangen".

Von Philipp Stadelmaier

Im Internet sind gerade einige Clips zu finden, in denen Spaßvögel das Gesicht von Nicolas Cage digital in James Bond- und Indiana-Jones-Filme hineinanimiert haben, auf die Körper von Sean Connery und Harrison Ford. Den amerikanischen Schauspieler in jeden beliebigen Film der Welt zu kopieren, erscheint als Gag aber gar nicht so abwegig. Denn Cage ist längst nicht mehr nur bekannt für Klassiker wie "Leaving Las Vegas", "The Rock" oder "Con Air", sondern auch dafür, wahllos so ziemlich überall mitzuspielen, wo sich die Gelegenheit bietet. Und dafür liebt ihn das Internet.

So gibt es auf Youtube eine Parodie, in der sein Agent ihn am Telefon verzweifelt zu überreden versucht, auch mal ein Rollenangebot auszuschlagen. Ein Nazi, der nur in Adverbien sprechen kann? Supermans Katze? Ein Typ, der mit Delfinen kommuniziert - um sie zu jagen? Muss das sein? Aber so absurd und karriereschädigend die Rolle auch sein mag, Cage sagt begeistert zu allem Ja.

Ganz so bescheuert sind die Filme, die Cage in den letzten Jahren tatsächlich gemacht hat, dann natürlich nicht. Es sind nur einfach ziemlich viele, und die meisten haben nicht viel Aufmerksamkeit bekommen. Werke wie "USS Indianapolis", "Arsenal" oder "Army of One" sind in Deutschland oft nur auf DVD erschienen. Das ist auch das Schicksal des Thrillers "Tödliches Verlangen" (im Original: "Inconceivable"), der nun im Handel erhältlich ist. Aber man lasse sich nicht täuschen. Das Tolle an einem Film wie diesem ist, dass er wie aus dem Nichts auftaucht, ohne dass man je von ihm gehört hat, auf einem DVD-Wühltisch oder einer Streamingplattform - um einfach nur zu unterhalten. Dieser kleine Genrefilm ist vorzüglich, und zeigt, was Cage, so wahllos seine Rollenwahl auch sein mag, so wertvoll macht.

Er spielt einen Arzt, der mit Frau Angela (Gina Gershon) in einer Villa wohnt. Sie lernen Katie kennen (Nicky Whelan), die bald als Kindermädchen bei ihnen einzieht. Die beiden haben eine Tochter und wollen ein zweites Kind, was Angela nicht möglich ist. Daher soll Katie das Kind austragen, als Leihmutter. Aber man muss nur kurz in Katies allzu blaue Augen schauen, um zu kapieren, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Während in Katies Bauch Angelas Kind heranwächst, kommen düstere Details aus ihrer Vergangenheit ans Licht, was Angela zunehmend in Panik versetzt. Will Katie das Kind am Ende doch für sich?

Einerseits ist Katie eine gefährliche Manipuliererin, andererseits braucht Angela Katies Körper. Womit Jonathan Bakers Film auf eine moralische Frage zusteuert: Wer ist die legitime Mutter, die biologische oder die andere? Was ist wichtiger, Familie als biologische Verbindung oder als soziale Institution? In jedem großen, stargespickten Film wäre das intensiv diskutiert worden. Aber "Tödliches Verlangen" lässt diese Fragen gänzlich unbeantwortet. Der Film urteilt nicht, er hat keine Botschaft. Beide Frauen haben recht, oder auch keine der beiden. Denn die Schwierigkeiten von Leihmutterschaft und die Affekte, die sie auslösen, haben hier nur eine einzige Funktion: die Handlung in diesem effizient erzählten Thriller voranzubringen.

Im Kampf der Frauen bleibt Cage fast nebensächlich. Wenn er mal auf der Leinwand auftaucht, was nicht so oft vorkommt, sieht er immer sehr tapfer aus, physisch anwesend, aber auch nicht ganz bei der Sache. Als sei er schon beim nächsten Film. Die erste Szene zeigt ihn beim Joggen, und letztlich joggt Cage ja auch von Film zu Film, in dem seine Figur nicht mal im Zentrum steht. Cage verbraucht sich, sein müde dreinblickendes Gesicht scheint auch davon zu zeugen.

Es ist, als würde Cage ganz selbstlos handeln. Als ginge es ihm nicht um den eigenen Ruhm, sondern als würde er all diesen kleinen Filmen sein Stargesicht leihen, damit sie überhaupt gemacht werden können. Filme, die daran erinnern, dass Filme einfach Filme sein können, effizient und geschmiert, ohne so zu tun, als hätten sie Weltbewegendes zu erzählen. Filme, die sehr viel besser sein könnten, aber auch verdammt viel schlechter. Filme wie "Tödliches Verlangen", Filme mit Nicolas Cage.

Tödliches Verlangen ist auf DVD und Blu-ray sowie als Video on Demand erhältlich.

© SZ vom 05.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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