Mediaplayer:Jedis tragen keine Unterwäsche

Kinostart - ´Star Wars: Das Erwachen der Macht"; jetzt_07122015

Daisy Ridley wurde durch "Stars Wars" von der unbekannten Jungschauspielerin zum Weltstar.

(Foto: Walt Disney/dpa)

Häppchen für Cineasten: die Podcasts "Movies by Minutes".

Von Jonas Lages

Alle Lust will Ewigkeit - auch die der Cineasten. Serienfreunde haben das große Glück, dass sie einen vielstündigen Fundus haben, der ihnen erlaubt, tagelang in derselben fiktionalen Welt zu verharren. Mit den zwei Stunden eines Spielfilms ist das natürlich deutlich schwieriger. Was tut man also, wenn man seinen Lieblingsfilm schon in- und auswendig kennt, wenn man jeden Dialog mitsprechen und jede Kamerafahrt vorhersagen kann, aber trotzdem das Wohlgefühl, sich innerlich in der Filmwelt zu befinden, nicht missen will? Nun, wie fast immer im modernen Leben findet man die Lösung im Internet. Sie heißt: Podcasts hören. Oder noch besser: Podcasts aufnehmen.

Im Zuge der mikroskopisch genauen Ausdifferenzierung der Hörangebote hat sich nämlich in den letzten Jahren ein Nischentrend entwickelt, der sich "Movies by Minutes" nennt. Diese Podcasts besprechen Filme im Minutentakt und widmen jeweils eine Folge einer einzigen Filmminute. Bei einem Epos wie Martin Scorseses "Goodfellas" entstehen also 145 Folgen. Und jede dieser Folgen ist dann meist eine gute halbe Stunde lang. So lässt sich bei einem abgeschlossenen Podcast mühelos die Kulturtechnik des Binge-Watching aufs Hören anwenden.

Oft steckt jahrelange Arbeit in den Projekten. Der allererste Filmminuten-Podcast startete mit sehr geringer Aufmerksamkeit im Sommer 2012 zur Kultkomödie "The Big Lebowski" der Coen-Brüder - und endete nach viereinhalb Jahren. 2013 startete der Comic-Zeichner Alex Robinson mit seinem Kumpel Pete Bonavita das bekannteste und erfolgreichste Minutenformat mit dem Fokus auf einer der größten filmischen Ersatzreligionen: "Star Wars". Mit gelegentlichen Sendepausen veröffentlichen die beiden an jedem Wochentag einen halbstündigen Podcast mit Gästen zu einer einzigen "Star Wars"-Minute, finanziert durch Crowdfunding. Gegenwärtig besprechen sie die erste Disney-Neuauflage "Das Erwachen der Macht". Dank Disneys Sequel-Manie werden die beiden wohl auch noch sehr, sehr lange Material für ihren Podcast haben. Die loyale Hörerschaft hat bereits ein eigenes Wiki für den Podcast erstellt, in dem man Zusammenfassungen der Folgen lesen und auf die Sekunde genau nachvollziehen kann, welcher Gast der gesprächigste war.

Inspiriert vom "Star Wars Minute"-Erfolg gibt es mittlerweile mehr als hundert verschiedene Podcasts im gleichen Minuten-Format. Meist zu amerikanischen Kultfilmen mit hohem Geek-Faktor wie "Zurück in die Zukunft", "Ghostbusters" und "Matrix". Die Gewinne dieser Liebhaber-Projekte sind selten finanzieller Natur. Aus welcher Perspektive werden hier also Filme gesehen? Es ist nicht der journalistische Blick eines Filmkritikers und schon gar nicht der akademische eines Filmwissenschaftlers. Es ist der Blick des Fans, der seinen Lieblingsfilm als Kind dreißigmal im Kino sah und vierzig Jahre später damit noch immer jedem ein Ohr abkaut.

Selten handelt es sich um wirkliches Close-Reading. Es ist, you know, meist eine Mischung aus amüsanten Theorien (Jedis tragen keine Unterwäsche), skurrilem Detailwissen (guck, der Präsident des "Star-Wars"-Fanklubs darf hier kurz als Dompteur ins Bild) und einem Weiterspinnen der fiktionalen Welt. Mit anderen Worten: Diese Podcasts leben vom Charme des Unprofessionellen. Vom Plaudern und Kalauern. Von Vermutungen und Annahmen. Vom gelegentlichen Eingeständnis der eigenen Unkenntnis. Vom Einstreuen privater Anekdoten. Vom Versprechen an seine Zuhörer: Wir sind genau wie du. Genau das ist hier der Reiz, endlich Menschen zu finden, die das gleiche Phänomen genauso sehr vergöttern wie man selbst. Und so wie beim Serienschauen werden die Stimmen der Podcast-Betreiber auch irgendwann zu Begleitern der eigenen Erlebniswelt.

Als Robinson und Bonavita nach einer halbjährigen Daueranalyse des ersten "Star-Wars"-Prequels bilanzierten, ob sie den Film nun in einem anderen Licht sahen, war ihre Antwort klar: Nö. Und genau das ist die Idee: Selbstbestätigung unter Gleichgesinnten. Eine Rückspiegelung der eigenen Begeisterung. Man könnte auch sagen: eine Echokammer.

Eine Übersicht der Podcasts gibt es unter moviesbyminutes.com

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