Süddeutsche Zeitung

Mediaplayer:Feuer, Schreie, alle tot

Das Ende der Welt kommt sanft: mal als Kometenstaub, mal als Weihwasser im Schwimmbecken, mal herzlich oder mithilfe von Prolls im Weltraum. Irgendwann hilft nur noch Dynamit oder aber: Synchronschwimmen!

Von Fritz Göttler

Das Ende der Welt kommt eher sanft in "Night of the Comet/Der Komet", einem unabhängig produzierten Sience-Fiction-Film von Thom Eberhardt aus dem Jahr 1983. Der Komet ist gar nicht auf Crashkurs, er zieht elegant an der Erde vorbei, und das Event wird auf den Straßen in ganz Amerika gefeiert. Nur Regina ist nicht dabei, sie jobbt in einem Kino in L.A. und zieht sich für diese Nacht mit Larry, dem Vorführer, in die Vorführkabine zurück. Zum Glück. An der Tür hängt ein altes Filmplakat, Red Dust, ein Klassiker mit Clark Gable und Jean Harlow. Zu rotem Staub ist am nächsten Morgen auch all das feierwütige Volk zerfallen, nachdem es mit den Ausdünstungen des Kometen in Kontakt kam, andere sind zu Zombies mutiert. Auch ein paar kranke Wissenschaftler sind im Spiel, darunter: Mary Woronov. Ein giftiges Morgenrot liegt über der Stadt. Regina und ihre Schwester Samantha suchen überlebende Mitmenschen für die Zukunft der Menschheit. Sie tummeln sich in leeren Modeboutiquen, können aber auch souverän mit Schusswaffen hantieren, der Vater ist Soldat. Catherine Mary Stewart und Kelli Maroney sind die zwei Teenager, mit unverwüstlicher Farah-Fawcett-Haarpracht, gegen ihren heiteren Hedonismus kommt kein Horror an. (Koch Films)

Die Überforderung alleinerziehender Mütter ist die Basis des Horrors in "Lloronas Fluch" von Michael Chaves, produziert vom jungen Horrormeister, von James Wan. Llorona hat ihre Kinder getötet, aus Eifersucht, nun irrt sie durch ein L.A. der Siebziger. Eine Mutter kämpft gegen sie, nur ein Geistlicher steht ihr zur Seite, er verwandelt ein ganzes Schwimmbecken in Weihwasser. (Warner)

Der Schrecken kommt auch bis San Francisco, in "Jagd auf einen Unsichtbaren/Memoirs of an Invisible Man", 1992, von John Carpenter. Chevy Chase als Nick Halloway, Finanzberater, Möchtegernplayboy, ein fürchterlicher Typ. Bei einem Unglück in der Firma, ausgelöst durch einen verschütteten Becher Kaffee, wird er unsichtbar. Sam Neill macht als CIA-Mann Jagd auf ihn, ein Unsichtbarer ist von größtem Wert im Spiel von Politik und Wirtschaft, für die Deutschen, die Japaner, die Saudis. Neill ist von wunderbar boshafter Herzlichkeit, er will Chevy Chase reinholen in die Familie. It's lonely when you are a freak. John Carpenter ist es nicht wohl mit diesem Helden, er mag die prolligen Typen, Kurt Russell, Snake Plissken, die Klapperschlange. (Koch Films)

Prolls im Weltraum, "High Life", von Claire Denis. Ein Raumschiff, unterwegs zu einem Schwarzen Loch, vielleicht kann man dort Energie abzapfen. Eine Reise ohne Wiederkehr, Aggressionen reisen mit. Die Besatzung besteht aus Sträflingen, meist Todeskandidaten, Lars Eidinger, Robert Pattinson, Juliette Binoche. Die experimentiert im All. Nach ein paar Jahren ist nur noch Pattinson am Leben, mit seiner Tochter Willow. Die erlebt man erst als Baby, später als junge Frau. Das letzte Paar? Das Schiff ist düster, unwohnlich, Olafur Eliasson hat bei der Ausstattung beraten. Die Einsamkeit meistern heißt, den Dingen nah zu sein, die uns nicht verlassen werden. Die Gefühle sind, wie immer bei Claire Denis, dann doch stärker als jedes gesellschaftliche, moralische System. (Pandora)

Das Prollstudio im klassischen Hollywood war Warner Brothers. 1935 wurde hier "Black Fury/In blinder Wut" produziert, Regie Michael Curtiz. Schwarz ist der Furor vom Kohlestaub in einer kleinen Minenstadt in Pennsylvania, viele der Arbeiter sind slowakischer Herkunft. Sie werden in fiese Arbeitskämpfe verwickelt, es wimmelt von Streikbrechern und dubiosen Polizisten. Auch Joe Radek stolpert in dieses Komplott, der große kleine Mann der Siedlung. Paul Muni spielt ihn, der große Star der Dreißiger, er hat für Warner Pasteur, Zola, Juarez, Napoleon, Franz Schubert verkörpert und war der erste Scarface der Kinogeschichte. Das Gangstertum als Vorstufe der amerikanischen Gewerkschaft. Am Ende muss Joe Radek allein in den Schacht, mit einer Ladung Dynamit. (Studio Hamburg)

Mittelstandsmisere in Frankreich: "Ein Becken voller Männer" von Gilles Lellouche. Um anzugehen gegen die Depression, trainieren ein paar ramponierte Männer, darunter Mathieu Amalric und Jean-Hugues Anglade, Synchronschwimmen! Die Trainerin liest ihnen Verlaine und Rilke vor: Eines Nachts stehen Amalric und seine Frau vor ihrem Haus, ihre Schwester und deren Mann sind eben davongefahren, ein unausstehliches Paar, nach einem fürchterlichen Abend. Ich bin ein schrecklicher Mensch, gesteht sie, und beide haben die gleiche Vision: Ein Komet trifft, paff, den BMW der Schwester, Explosion, Schreie, Flammen. Alle tot! (Studiocanal)

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SZ vom 18.11.2019
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