Mediaplayer:Die Codes der Körper

Jane Do kommt in einer Tasche an, nackt und am ganzen Körper tätowiert. In "Blindspot" von Greg Berlanti, dürfen Superhelden sie selbst sein.

Von Fritz Göttler

Eine Reisetasche steht mitten auf dem nächtlichen Times Square in New York. Ein Polizist ist irritiert, "Ist das Ihre Tasche?", fragt er diverse Passanten, aber keinem gehört sie. Dann sieht er den Gepäckzettel an der Tasche: "Benachrichtigen Sie das FBI." Ein Schnitt, nun ist der Platz menschenleer, von Scheinwerfern in grelles Licht getaucht. Ein Cop im Schutzanzug nähert sich, einen Geigerzähler in der Hand, langsam der Tasche. "Keine Radioaktivität", meldet er, "ich taste jetzt mal, ob Drähte drin sind." In diesem Moment gibt es eine Bewegung, der Reißverschluss wird von innen aufgezogen. Ein Arm streckt sich heraus, ein Frau schält sich aus der Tasche, nackt, am ganzen Körper tätowiert.

"Blindspot" ist eine neue Serie des Produzenten Greg Berlanti und seines Teams, die erste Staffel ist eben auf DVD erschienen, die letzten Folgen der zweiten Staffel laufen in diesen Tagen im US-Fernsehen. Greg Berlanti hat in den letzten Jahren Serien produziert wie "Dawson's Creek", "Everwood", "Political Animals" und war besonders erfolgreich, als er, für diverse Sender, das DC-Comic-Universum fürs Fernsehen reaktivierte, mit Serien wie "Arrow", "The Flash" , "Supergirl" und - ebenfalls gerade auf DVD erschienen - "DC Legends of Tomorrow" auf DVD erschienen. Berlanti ist schwul, den klassischen DC-Helden von Kindheit an hingegeben, kämpferisch und bereit zu Risiko und Provokation. Er versucht verstärkt Frauen eine Chance bei der Regie geben und glaubt, dass schon bald auch Frauen große Superhelden-Blockbuster drehen werden. Er hat schwule Typen in die Geschichten eingeführt, die er betreut, den ersten Primetime-TV-Männerkuss in "Dawsons's Creek", eine Abtreibung in "Everwood". "Ich glaube nicht, dass sich heute viel geändert hat", sagt er, "ich kämpfe immer noch um jede Kleinigkeit, ich schwöre bei Gott. Ich telefoniere mit jedem Chef auf jeder Ebene, um etwas verkauft oder gekauft zu bekommen". Bei all dem Kampfeswillen sieht sich Greg Berlanti doch eher als introvertiert.

Blindspot - Sandsturm

Graffiti und Tattoos - Jaimie Alexander in "Blindspot".

(Foto: Warner Brothers)

Jane Doe nennen sie in "Blindspot" beim FBI die Frau vom Times Square (Jaimie Alexander), die nicht weiß, wer sie ist und wie sie in die Tasche kam und was die frischen Tätowierungen bedeuten sollen, die sie am ganzen Körper trägt. Jane Doe ist eine Kämpferin, offenbar in Kampftechniken und Waffengebrauch ausgebildet, aber nur rudimentär blitzen Erinnerungsstücke bei ihr auf, und sie weiß nicht, was die Menschen darin ihr bedeuten. Es gibt keine Wahrheit ihrer Existenz, keine Sicherheit und Solidarität für sie.

Die Codes auf ihrem Körper geben immer neue Richtungen an, aber kein definitives Ziel, eine solche Endloskette der Zeichen hatte Umberto Eco in die Literatur eingeführt mit seinem Roman "Der Name der Rose". Jane Doe ist definitiv nicht Opfer, sondern durchaus Aktivist verborgener Handlungen und Intrigen, auf verschiedenen politischen Ebenen - bei den ersten Folgen hat Mark Pellington Regie geführt, der 1999 den beunruhigenden Thriller "Arlington Road" drehte, über rechtsradikale Terrorpläne in den USA. Die Jagd der ersten Folge führt zur "Mother of Exiles", zur Freiheitsstatue.

Greg Berlanti glaubt ans Medium TV, seine DC-Serien reflektieren besser die Spaltungen und Umbrüche der Moderne als manche psychologischen Filmdramen. Sein Versuch einer DC-Kinoversion von "The Green Lantern" war 2011 einer der großen Blockbuster-Flops: "Ich wurde als Autor und als Regisseur dieses Filmes gefeuert, und doch war mein Name überall drin. Man schiebt mir immer noch die Schuld zu, obwohl ich mit dem fertigen Film nichts zu tun hatte."

Die großen Superheldenfilme von Sam Raimi, Christopher Nolan, Joss Whedon, Jon Favreau haben ihre Helden in dramatische Höhen geschickt, ihnen eine nahezu shakespearische Dimension verpasst - und von ihrer Comic-Tradition entfremdet. Bei Greg Berlanti ist der Comic-Geist kräftig zu spüren, selbst in der Eigenschöpfung "Blindspot" - Jaimie Alexander hat als Jane Doe ein einziges markantes Profil aus Gesichtsausdruck und Frisur, so wie es sich für die emblematische Präsenz eines Comic-Figur gehört. Die "Legends of Tomorrow" lösen das klassische Erzählen auf durch rasante Sprünge in verschiedene historische Epochen - alles um einen grausamen Tyrannen der Zukunft zu verhindern. Und doch ist die Gegenwart immer präsent in diesen Geschichten.

"Blindspot" und "Legends of Tomorrow" sind bei Warner auf DVD erschienen.

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