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Media-Player: Im Labyrinth der Logik - der Anime "The Perfect Insider".

Im Labyrinth der Logik - der Anime "The Perfect Insider".

(Foto: Universum)

Die japanische Anime-Serie "Perfect Insider" ist Krimi über Forscherdrang, Einsamkeit und Metaphysik.

Von Fritz Göttler

Die Braut kommt in Weiß, auf einem Roboterwägelchen wird sie herbeigerollt. Sie ist aber tot, und man hat ihr Hände und Beine abgehackt. Es ist Shiki Magata, die junge radikale Forscherin, die seit fünfzehn Jahren in ihrer Klause im Forschungsinstitut auf der Insel Hikama haust, diese Isolierstation nie verlassen hat, nie mit anderen Menschen in direkten Kontakt getreten ist, allenfalls per Videoschaltung mit ihnen kommunizierte. Der Brauttorso ist eine spektakuläre Inszenierung: Wer hat Shiki umgebracht, und wieso ist nichts von dieser Tat zu sehen auf den angeblich lückenlosen Überwachungsvideos ihrer Station?

"Subete ga F ni naru" von Hiroshi Mori ist ein etwas kruder Krimi aus dem Jahr 1996, den es auch in einer Fernsehverfilmung und als Videospiel gab. Nun ist daraus unter dem Titel "The Perfect Insider" eine elfteilige TV-Animationsserie geworden, Regie Manoru Kanbe, die sich mit durchtriebener Coolness von einem undurchsichtigen Detektivrätselspiel in eine japanische Alice-im-Wunderland-Erzählung verwandelt. Das heißt, die Lust an immer neuen Fragen ist erheblich intensiver in dieser Geschichte als das Verlangen nach definitiven Erklärungen und Lösungen. Das fängt schon mit dem Titel an, der etwa meint: "Alles wird F."

Alice ist hier die jungreiche Moe Nishinosono, die einen Alfa Romeo fährt und in den Professor Sohei Saikawa verknallt ist, dem eine kühne Strähne meistens das eine Auge verdeckt und der auch unprofessoral jung ist. Die beiden sind ein famoses Detektivpaar klassischer Prägung, sie überrascht immer wieder mit knalligen Kurzschlüssen, er steuert die sanften Rauchfäden des permanenten Zigarettenkonsums bei.

Animationsfilme haben es hierzulande nie geschafft, richtig erwachsen zu werden, sie gelten als reine Familienunterhaltung. Nur selten werden sie so tiefsinnig - und so ernst genommen - wie in Japan, wo Anime für alle möglichen Zuschaueralter gemacht wird. Auch Kubo, der neue Held aus dem Studio Laika in Portland, Oregon, der seit ein paar Tagen sich in unseren Kinos tummelt, ist bemerkenswert frühreif, er beherrscht als Kämpfer und als Geschichtenerzähler die Action so gut wie die Reflexion. Schon Disneys legendäre Nine Old Men, die Schöpfer seiner großen Zeichenfilme, waren alles andere als betuliche Märchenonkel, in die klassischen Kurz- und Langfilme fand die aktuelle Wirklichkeit immer Eingang, auch die nicht ganz so brave, bis hin zu Mae West.

Die Forscherin Shiki Magata als "Perfect Insider" ist eine eher zweifelhafte Figur, weil sie die Grundlage der menschlichen Existenz infrage stellt. Sie will ganz bei und in sich bleiben, aber zugleich kennt sie die Möglichkeiten der neuen Medien perfekt - eine Meisterin der Manipulation. Das Spiel der vertauschten und vorgetäuschten Identitäten führt in heftige metaphysische Turbulenzen. Was ist wahre Freiheit, fragt Shiki Magata, was ist Freiheit im digitalen Raum? Ist es die Freiheit, frei zu sein vom Körper? Digitaler Eskapismus, die Flucht ins Imaginäre?

Vor fünfzehn Jahren hatte Shiki ihre Eltern umgebracht, ein erster Schritt in die Freiheit. Die Japaner sind Spezialisten in der Kunst des parataktischen Erzählens, ihre Geschichten sind frei vom Zwang, für alles letztendlich Erklärungen zu liefern. Das Kino hat von ihnen gelernt, als es, durch die neue Kraft der fotografischen Bilder, das westliche Erzählen zersetzte - Montage hat ihre eigene, nichtkausale Logik. Unter der kriminalistischen fängt hier schon sehr früh eine andere, sehr emotionale, sehr archetypische Geschichte an, deren Zeichen man nicht übersehen darf. Blut ist bereits geflossen bei einer ersten Begegnung der jungen Moe und ihres Professors, als Moes Eltern bei einem Flugzeugabsturz starben. Da kamen sich die beiden sehr, sehr nahe. Aber Nähe, Berührung, Liebe, das ist immer auch ein Montageeffekt. Einmal stehen die zwei auf dem Dach des Instituts, reden miteinander und schauen zu, wie der Morgen anbricht. Das ist spektakuläres großes Kino, der Sonnenaufgang in Echtzeit.

The Perfect Insider, elf Folgen in drei Volumes, bei Universum Anime.

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