Süddeutsche Zeitung

"Me Too"-Prozess:"No Sex, no Solo"

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Machtmissbrauch, Mobbing, sexuelle Belästigung: Ein Gericht verurteilt den Choreografen Jan Fabre zu einer Gefängnisstrafe.

Von Dorion Weickmann

Achtzehn Monate Haft, zur Bewährung ausgesetzt, Verlust der Bürgerrechte für die Dauer von fünf Jahren, Entschädigungszahlung an die Nebenkläger: So lautet das Urteil, das ein Antwerpener Strafgericht am Freitag gegen den Choreografen, Regisseur und bildenden Künstler Jan Fabre verhängt hat. Vorausgegangen war ein aufsehenerregender Prozess um Vorwürfe, die zwanzig ehemalige Tänzerinnen und Mitarbeiter der Tanzkompanie Troubleyn 2018 in die Öffentlichkeit getragen hatten. Sie warfen ihrem Ex-Chef Machtmissbrauch, Mobbing, sexuelle Belästigung und ein toxisches Betriebsklima vor. Fabre gestand, Fehler gemacht zu haben, wies die konkreten Anschuldigungen indes stets zurück. Seine Rechtsanwältin bezeichnete ihn während des Prozesses als "romantischen Anarchisten", der keinerlei kriminelle Taten begangen habe. Das Gericht kam zu einem anderen Schluss: In sechs Fällen gilt Fabres Schuld als erwiesen, sechs weitere sind bereits verjährt. Deshalb wurde die von der Staatsanwaltschaft geforderte dreijährige Gefängnisstrafe am Ende fast halbiert.

Fabres Verurteilung setzt in der seit Jahren immer wieder von "Me Too"-Skandalen erschütterten Tanzwelt ein Signal: Fehlverhalten ist kein Kavaliersdelikt. Mit dem 63-jährigen Belgier trifft es einen zeitgenössischen Choreografen und Bühnenberserker, der weltweit für seine rauschhaften Inszenierungen bewundert und als Avantgardist gefeiert wurde. Dass Fabres Theaterexzesse nicht endeten, wenn der Vorhang fiel, war keine große Überraschung. Erstaunlich war eher die Entschiedenheit, mit der sich frühere Mitarbeiter gegen ihren einstigen Guru zur Wehr setzten - und die Rasanz, mit der sie seine Künstleraura demontierten. Angefangen von erpresserischen Drohungen wie "No Sex, no Solo" bis zu cholerischen Ausbrüchen hat Fabre unter dem Deckmantel der Kunst offenkundig eine Art Proben-Tyrannis errichtet.

Der Preis, den er dafür im Nachhinein bezahlt, ist hoch und nicht nur juristischer Natur. Museen und öffentliche Institutionen haben Fabres Werke verbannt, Förderungen wurden gestrichen, Aufführungen seiner Stücke serienweise gecancelt. Ob er sich als Künstler je wieder erholt, erscheint fraglich. Vertreter der Nebenklage erklärten sich mit dem Urteil zufrieden, Fabres Verteidiger gaben keinen Kommentar.

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