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Me Too auf der Berlinale:Wie soll es weitergehen nach "Me too"?

Auf der Berlinale sind sich alle einig, dass die Branche Machtmissbrauch begünstigt. Aber ob es eine Quote braucht oder Verhaltensregeln fürs Set - darüber wird gestritten.

Von Verena Mayer

Die Fragen, wie man auf dem roten Teppich erscheint und ob dieser in Zeiten von "Me Too" nicht vielleicht schwarz sein sollte, sind auf der Berlinale abgehakt. Seit dem Wochenende geht es ums Eingemachte - darum nämlich, welche Konsequenzen die deutsche Filmbranche aus den Fällen von Machtmissbrauch und sexueller Gewalt ziehen will, die in den vergangenen Wochen bekannt wurden. Bislang gibt es einen konkreten Plan, nämlich eine überbetriebliche Beschwerdestelle, an die sich Opfer von Übergriffen wenden können. Das Projekt wird bereits im März seinen Betrieb aufnehmen, Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) unterstützt es mit 100 000 Euro. Für die weitere Finanzierung soll ein Förderverein gegründet werden.

Sonst wird bei den zahlreichen Diskussionen am Rande des Filmfests klar, was für ein weites Feld das Thema Sexismus im Kulturbetrieb ist. Montagnachmittag etwa, als sich Politikerinnen, Schauspielerinnen, Produzentinnen und Verantwortliche der Sender im Veranstaltungszelt "Tipi" am Kanzleramt treffen. "Kultur will Wandel" steht auf einem roten Plakat. Die Schauspielerin Jasmin Tabatabai will bessere und mehr Rollen für Frauen, die Studien zufolge ab dem 35. Lebensjahr zunehmend vom Bildschirm verschwinden. In der Altersgruppe ab 50 kommt auf drei Männer eine Frau in einer tragenden Rolle. Und die spiele dann meistens die Ehefrau, Mutter oder die "dolle Olle".

Quoten und Verhaltensregeln kommen in Frage - zumindest für manche

Michael Lehmann, Produzent bei der Studio Hamburg Produktion Gruppe, findet, dass das Geld aus den öffentlichen Fördertöpfen allen zustehe, und dass man bei der Verteilung von Aufträgen um eine Quote nicht herumkomme. Bislang werden 85 Prozent aller Fernsehfilme von Männern produziert. Familienministerin Katarina Barley (SPD) sagt, dass die Medien die Verantwortung für die Rollenbilder haben, die über Jahrzehnte eine Gesellschaft prägen. Ihre Lieblingsserie aus ihrer Teenagerzeit hat sie bis heute in Erinnerung. Sie hieß "Hart aber herzlich" und handelte von einem Ehepaar, das Kriminalfälle löst. Als die Frau den Mann einmal fragt, was er am meisten an ihr liebe, antwortet er: "Dass du noch nie Nein gesagt hast."

Einig sind sich alle darin, dass die Filmindustrie Machtmissbrauch begünstige, weil die Arbeitsverhältnisse dort oft sehr unsicher sind. Man wechselt von einer Produktion zur nächsten, die Abhängigkeit von Regisseuren, Redakteuren und Produzenten ist groß. Und weil da noch immer dieser Mythos vom Künstler sei, der exzentrisch sein muss, um etwas Großes schaffen zu können, sagt Katarina Barley. Ob es am Set vielleicht Verhaltensregeln brauche, wie sie etwa bei den Banken üblich sind, fragt die Moderatorin und Filmkritikerin Verena Lueken. Die Schauspielerin Natalia Wörner findet das absurd, da man nicht "in künstlerische Prozesse mit einem Regelwerk eingreifen könne". Ihr widerspricht der Schauspieler Hans-Werner Meyer. Es sei alles möglich, solange es auf Augenhöhe geschehe. Aber wenn eine Frau bei einem Casting damit überrumpelt werde, sich ausziehen zu müssen, sei das "nun mal nicht okay".

Am Ende geht eine Frau auf Hans-Werner Meyer zu. Sie sagt, es sei auch nach zwanzig Jahren schwierig, "damit umzugehen". Und sie erzählt, dass sie als junge Regieassistentin in einem Treppenhaus bedrängt und fast vergewaltigt worden sei, von einem Mann, "der glaubte, er könne sich einfach bedienen". Noch immer schrecke sie zusammen, wenn irgendwo eine Tür zufällt oder sie sich allein mit einem Mann in einem Raum befinde. Für sie hat die Aufarbeitung gerade erst angefangen.

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SZ vom 21.02.2018/albe
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