Maximilian Schell zum 80.:Rebell aus dem Off

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Für seine Rolle in "Das Urteil von Nürnberg" hat Maximilian Schell 1961 den Oscar bekommen, er hat sich 50 Jahre lang an diesem frühen Erfolg abgearbeitet. Nun wird Maria Schells kleiner Bruder 80.

Fritz Göttler

Eine kleine schwarze Strähne, die aus seinem glatten Haarschopf hervorspitzt, freischwebend, die Stirn nicht berührend, das war in den ersten Jahren seiner Kinokarriere sein Markenzeichen. Die Strähne trug er sichtlich mit Stolz, sie zeigte Selbstbewusstsein an und Nonkonformismus, signalisierte eine Mischung von Sinnlichkeit und Intellekt, schloss aber innere Turbulenzen und Zweifel nicht aus. Und existentielle Angst.

Ja, er  war cool in der Rolle, die ihn weltberühmt machte: Maximilian Schell als junger Verteidiger Hans Rolfe in Stanley Kramers "Das Urteil von Nürnberg". (Foto: dpa)

Ja, der Junge mit der Strähne war cool, und das war er auch in der Rolle, die ihn weltberühmt machte, als junger Verteidiger Hans Rolfe in Stanley Kramers "Das Urteil von Nürnberg", 1961, der Burt Lancaster als Naziverbrecher verteidigte und das deutsche Volk mit ihm. In seinem ersten Auftritt zitiert er gleich dem strengen greisen Richter Spencer Tracy den Satz "My country, right or wrong" - von einem großen amerikanischen Patrioten, Carl Schurz. Auch die Wahrheit über Nazideutschland musste mühsam rekonstruiert werden. In Gerichtsfilmen werden Performances anders gewertet, auch der Manierismus hat eine größere Toleranzbreite.

Maximilian Schell spielte die Theatererfahrung ungeniert aus, die er da schon gesammelt hatte - unter anderem in den Münchner Kammerspielen und bei Gustaf Gründgens in Hamburg. Die Effekte glichen denen, die Amerikaner damals im Actors Studio studierten - in "The Young Lions" ist Schell 1958 neben Marlon Brando und Montgomery Clift zu sehen, drei Jungs in Nazideutschland, verführerisch und verführt - aber sie wissen, was sie tun. Für seinen Anwalt hat Maximilian Schell den Oscar als bester Schauspieler bekommen. An die fünfzig Jahre hat er sich an diesem frühen Erfolg abgearbeitet - der auch jetzt, an seinem achtzigsten Geburtstag, wieder im Vordergrund steht.

Ein rebellischer Geist ist Maximilian Schell, 1930 in Wien geboren und in der Schweiz aufgewachsen, sein Leben lang geblieben - auf der Suche nach einem Grund für sein Rebellentum. Ein Einzelgänger, ein loner, schon deshalb, weil ihm die Schwester Maria in den Schlagzeilen immer voraus war ("Maria Schells kleiner Bruder kriegt Oscar!")

Man erinnert sich nur an sehr wenige Gruppenmomente mit ihm - das Museumsräuberteam in "Topkapi", mit Ustinov und Mercouri, "Julia" mit Vanessa Redgrave, als väterlicher Stoiker in den Tagen vor dem Weltuntergang in "Deep Impact". Er hat es sich fast schon behaglich eingerichtet im Off, immer öfter zieht er sich auf die Familienalm in Kärnten zurück. Besonders präsent ist er als Zuhörer in seinem "Marlene"-Film - die Dietrich hatte zur Bedingung gemacht, dass sie vor einer Kamera nicht erscheinen musste für dieses Projekt.

Gern hat ihn auch Dürrenmatt als Resonanzboden benutzt, Schell hat "Der Richter und sein Henker" verfilmt, mit Hollywoodstars in Schweizer Landschaften, gemeinsam haben sie an einem "Midas"-Film gearbeitet, der dann am Theater endete. Vielleicht war das doch zu stark, was Dürrenmatt vorschlug: "Die Wahrheit ist, dass die Wirklichkeit und die Wahrheit Fiktionen sind."

© SZ vom 08.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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