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Hörbuch "Genieß Deinen Starrsinn an der Biegung des Flusses":Humor ist, wenn man gar nicht lacht

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Max Goldt liest aktuelle und ältere Texte von subtiler Komik. Es geht in ihnen um Besucher aus dem Sauerland, ungewaschene Füße und die Tücken der Selbstwahrnehmung.

Von Stefan Fischer

Humorlosigkeit sei an sich ein kleiner, verzeihlicher Makel, urteilt der Humorist und Satiriker Max Goldt. Verglichen vor allem mit "der Unfähigkeit zu bemerken, ob ein anderer Witze erzählt bekommen möchte oder nicht". Goldt möchte keine Witze erzählt bekommen. Und er erzählt auch keine. "Man sollte aufhören", fährt er vielmehr fort, "Humor für eine Notwendigkeit zu halten." Sonst werde man auf ewig mit Witzzwang und aggressivem Gelächter genervt.

Denn, so sieht Goldt das, beim Witzeerzählen kämen zweierlei Fatalitäten zusammen. In der Regel wolle mal wieder ein Humorloser beweisen, dass er Humor habe. Das Publikum wiederum missachte allzu oft, dass man, wenn überhaupt, nur dann öffentlich laut lachen sollte, wenn sich das einigermaßen anhört. "Wenn einer dreckige und verkrumpelte Füße hat, dann darf er die ja auch nicht allen Leuten direkt ins Gesicht halten", schlussfolgert Goldt kategorisch.

Er selbst ist da fein raus. Denn dass er Humor hat, beweist Max Goldt seit Jahren mit jedem Auftritt und jeder Veröffentlichung aufs Neue. Er beherrscht die Kunst - und verfeinert sie immer weiter -, nicht unentwegt auf Pointen zuzusteuern mit seinen Geschichten und dabei komisch zu sein auf eine Weise, die kein prustendes Gelächter hervorruft.

Die Situationen, die Goldt schildert, muss er nicht lächerlich machen. Sie sind es bereits

Sehr schön beobachten lässt sich das anhand seines neuen Hörbuchs "Genieß Deinen Starrsinn an der Biegung des Flusses". Darauf liest er elf Texte, die meisten davon sind in den vergangenen drei, vier Jahren entstanden, einige sind aber auch deutlich älter. Etwa "Elegante Konversation im Philharmonic Dining Room", der die zitierte Philippika gegen die Witzeerzähler enthält. Dieser Text ist ein Vierteljahrhundert alt, Goldt hat ihn neuerlich hervorgeholt und für nach wie vor tauglich und offenkundig auch drängend erachtet, da die Menschen, um im Bild zu bleiben, ihre Füße bis heute nicht hinreichend waschen.

Seinen neueren Texten hat er die Pointen noch konsequenter ausgetrieben. Goldt geht stets von alltäglichen Beobachtungen aus, und er muss sie im Grunde kaum überdrehen, damit Situationen ins Lächerliche, Kuriose oder Absurde abdriften. So eskaliert "ein nutzloser norddeutscher Tag" in einer Eigenheimsiedlung am Ortsrand von Bad Oldesloe innerhalb weniger Minuten, als Urlaubsbekannte aus dem Sauerland auf eine Stippvisite vorbeischauen. Obwohl allen klar ist, dass diese Begegnung längstenfalls eine Viertelstunde dauern wird, bekommen die beiden Ehepaare sie nicht mit Anstand über die Bühne.

Wie es der Titel des Hörbuchs besagt, genießen auch diese Menschen ihren Starrsinn. Darum geht es immer wieder bei Goldt, daraus speist sich der Humor seiner genauen Beobachtungen: Es mangelt allenthalben an Souveränität und Selbstreflexion.

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