Maulkörbe für die Kino-Presse:"Ich hasste, hasste, hasste diesen Film!"

Es gibt bis heute keine gültige Formel für einen Kassenschlager, und nun herrscht Panik in Hollywood wegen eines Katastrophenfilms: Spielbergs "Krieg der Welten" soll den schlechten Kinosommer retten - wenn er es denn kann.

SUSAN VAHABZADEH

Der Journalistenverband protestiert, der Kritikerverband wütet, und in den Zeitungen finden plötzlich Diskussionen darüber statt, wer wann was druckt und drucken darf.

Maulkörbe für die Kino-Presse: Massenflucht, nein nicht vor den Kinos und ihren Medien-Kampagneros, sondern vor den Außerirdischen in Spielbergs Film

Massenflucht, nein nicht vor den Kinos und ihren Medien-Kampagneros, sondern vor den Außerirdischen in Spielbergs Film

(Foto: Foto: UIP)

Der Verleih UIP hat für ziemlich viel Aufruhr in der Medienwelt gesorgt mit den Auflagen, die er den Filmkritikern mitgegeben hat bei der Berichterstattung über Steven Spielbergs "Krieg der Welten".

Metalldetektoren am Eingang von Presservorführungen, dass gelegentlich jemand mit dem Nachtsichtgerät den Zuschauerraum ausspäht für den Fall, dass doch jemand eine Kamera eingeschmuggelt hat, daran hat man sich gewöhnt, das ist die Angst vor Filmpiraterie.

Aber einen Maulkorb bis zum Tag des weltweiten Filmstarts - auch das aus Angst vor Piraterie - am Mittwoch?

Die amerikanischen Filmkritiker haben ihn mit Gelassenheit hingenommen.

Vielleicht fühlen sie sich gar nicht so stiefmütterlich behandelt von Hollywood, wo am Donnerstag einer der ihren, Roger Ebert, seinen Stern auf dem Walk of Fame bekommen hat; es ist der erste, der je einem Kritiker gegeben wurde.

Eines seiner bekanntesten Bücher ist eine Sammlung von Verrissen mit dem schönen Titel "I Hated, Hated, Hated this Movie". Eigentlich liebt Roger Ebert das Kino natürlich, aber dass diese Liebe leidenschaftslos wäre, würde er sich im Kino nicht gelegentlich aufregen, scheint Hollywood verstanden zu haben.

Bei "Krieg der Welten" scheint man weltweit wenig Wert zu legen auf die Meinung von Unbeteiligten, wie immer sie auch ausfallen mag.

Das wird wohl daran liegen, dass man sich in Hollywood gerade auch ohne Katastrophenfilme fürchtet - auf Spielbergs Film lastet ein irrer Erwartungsdruck.

Der Kino-Sommer ist bislang schlecht gelaufen in den USA, der schlechteste seit zwanzig Jahren. Zwischen Mai und Juni sind die Einspielergebnisse im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent gefallen.

Nicht einmal die steigenden Ticketpreise haben da noch geholfen - obwohl in vielen Großstädten eine Kinokarte inzwischen mehr als 10 Dollar kostet. Steven, hilf! "Krieg der Welten" soll nun die Bilanz aufbessern - eine Hoffnung, die schon "Batman Begins" nicht hat erfüllen können.

Die Einnahmen sind lange kontinuierlich gestiegen seit Mitte der Neunzigerjahre, wenn auch basierend auf steigenden Eintrittspreisen.

2002 war das Rekordjahr, seither geht es sacht bergab - zugleich boomte der DVD-Markt, man muss also noch keine Spendenaktionen starten für die Studios. Aber Raubkopien sind ein Problem, und das DVDs inzwischen oft nur noch soviel kosten wie eine Eintrittskarte.

Welcher Darreichungsform geben Teenager, immer noch die größte Zuschauergruppe, dann den Vorzug? Gerade die Kids schauen sich Filme oft mehrfach an, man kann ihnen also mehr als eine Eintrittskarte für den selben Film verkaufen, aber nicht zwei DVDs. Die Filme werden immer teurer, die Zuschauer immer weniger - irgendwas muss also passieren.

Für "Batman Begins" einen jungen Regisseur, Chris Nolan, zu verpflichten, der wegen seiner Schwäche für komplexe Erzählstrukturen eher ein Risiko darstellt für einen Mainstream-Film, war ein Anfang.

Denn oft liefert Hollywood nur Durchschnittsware zu überhöhten Preisen, was wohl immer noch die schlüssigste Erklärung ist für das derzeitige Favoritensiechtum an den Kinokassen: Im großen Stil gefloppt sind "Kingdom of Heaven", "Elektra" und "XXX: State of the Union". (Letzterer wurde den Kritikern in Deutschland, nebenbei bemerkt, nicht etwa spät, sondern gar nicht gezeigt - es hat sich darüber nur niemand so richtig aufregen mögen, weil es nur um Vin Diesel ging.)

Wenn man nach den Branchenblättern urteilt, ist Hollywood derzeit ein Jammertal am Fuß der Hügel, in denen jene wohnen, die immer mehr verdienen am Filmemachen, Stars und Regisseure.

Die Studios selbst aber geraten zunehmend in finanzielle Nöte. Das Branchenblatt Variety hat in der jüngsten Ausgabe eine Beispielrechnung auf der Titelseite veröffentlicht für eine große Produktion , die 175 Millionen Dollar kostet und 575 Millionen einspielt - wenn alle ihren Anteil bekommen haben, die Schauspieler 20 Prozent vom Profit und der Regisseur 10 Prozent eingesteckt haben -, bleiben noch 47 Millionen Dollar übrig.

Eher wenig für ein Studio, und es funktioniert ja auch nicht immer - siehe "Kingdom" und Co.

An der Explosion der Budgets haben die computergenerierten Special Effects nichts ändern können - im Gegenteil. Und beim Posten fürs Marketing, der sich auch vervielfacht hat im letzten Jahrzehnt, kann man sich mal fragen, ob er Teil der Lösung oder Teil des Problems ist.

Die Starpower und das Blockbusterprinzip sollten endlich eine sichere Sache machen aus den Investitionen. Der "A-Liste" liegt keine Zauberformel zugrunde - der Begriff wird nur oft für klatschspaltenbewährte Schauspieler gebraucht, die darauf gar nichts zu suchen hätten. Eigentlich errechnet sich die Zugehörigkeit zu Hollywoods Spitzenliga knallhart an Einspielergebnissen am ersten Wochenende.

Es gibt bis heute keine gültige Formel für einen Kassenschlager, aber das Marketing kann man steuern, man geht mit Werbung und unzähligen Kopien aufs Publikum los - das ist der Versuch, möglichst viel Geld mit einem Film zu verdienen, bevor sich herumspricht, wie die Leute, die ihn tatsächlich gesehen haben, ihn finden.

Fürchten die Studios das Einsetzen des word of mouth? So nennt man die Mundpropaganda, wenn sich die Leute auf Parties und in den Büros erzählen, welche Filme sie nun wirklich lohnend gefunden haben, und dieses Urteil hat immer noch mehr Macht als sämtliche Kritiker und Marketingexperten zusammen. Bis der Film vor Publikum zu sehen ist, spielt es nicht wirklich eine Rolle, ob er gelungen ist - in dem Sinne, das er gefällt - , wesentlich wichtiger ist es, ob die Strategien in der Vermarktung funktionieren, der Film oft genug in den Medien vorkommt, genug Spots in den richtigen TV-Programmen plaziert sind.

Da reicht es oft,. wenn das Liebesleben der Hauptakteure öffentlich diskutiert wird - dass es im Fall von Tom Cruise und "Krieg der Welten" so ist, dafür hat Cruise selbst gesorgt mit seinen Bekenntnissen über seine Beziehung zu Katie Holmes, was amerikanische Journalisten zu der Mutmaßung anstiftete, die große Liebe sei nur ein Marketinggag.

Aber auf solche Mechanismen ist nur kurzfristig Verlass. "Mr. and Mrs. Smith" hat bestimmt profitiert von den Spekulationen über eine Affäre der Hauptdarsteller Angelina Jolie und Brad Pitt in den letzten Monaten - der Film war eine Woche lang die Nummer 1 in den US-Charts, aber in der zweiten Woche fielen die Ticket-Verkäufe um 48 Prozent.

Das ist das Vertrackte am Prinzip des Ereignis-Films: Man kann ungeheure Einspielergebnisse fürs erste Wochenende damit erzielen. Aber wenn der Film erst mal draußen ist, ist er allein mit dem gnadenlosen word of mouth.

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