"Massive Talent" im Kino:Sorgen eines Superstars

"Massive Talent" im Kino: Allzeit kampfbereit: Nicolas Cage in "Massive Talent".

Allzeit kampfbereit: Nicolas Cage in "Massive Talent".

(Foto: Leonine)

Nicolas Cage spielt Nicolas Cage in einem Film über Nicolas Cage: die Komödie "Massive Talent".

Von David Steinitz

Natürlich wäre es sinnvoll gewesen, wenn Nicolas Cage diese Rezension einfach selbst geschrieben hätte. Denn wer auf Gottes nicht mehr ganz grüner Erde könnte Nicolas Cage in einer Rolle als Nicolas Cage besser beurteilen als Nicolas Cage?

Aber sei's drum, der Mann muss an vier Exfrauen Alimente zahlen, die Hochzeit mit der aktuell fünften Gattin in Las Vegas letztes Jahr war vermutlich auch nicht billig. Er muss also drehen, um Geld zu verdienen, und kann nicht auch noch Filmkritiken schreiben. Das ist mehr oder weniger wortwörtlich auch seine eigene Erklärung für die Arbeitswut der vergangenen Jahre: Geld verdienen, egal wie.

Kürzlich empfing er eine Reporterin der GQ zum Interview, im Kung-Fu-Anzug, und erklärte, er habe sich halt aus seinen Filmstarschulden herausarbeiten müssen. Cage sammelte Schlösser, besaß laut eigener Aussage das "unheimlichste Geisterhaus Amerikas" und nahm nach dem Tod des Besitzers seiner Lieblingstierhandlung unter anderem diverse Schildkröten bei sich auf. Das kostet. Außerdem munkelt man, er wolle eines fernen Tages in einem weißen Pyramidengrab in New Orleans bestattet werden. Selbst wenn man die aktuelle Preisliste für weiße Pyramidengräber gerade nicht im Kopf hat - auch das klingt teuer.

Seine Tochter hält Humphrey Bogart für einen Pornostar und will mit Daddy keine Videoabende machen

Nicolas Cage war ein Superstar der Neunzigerjahre, drehte A-Liga-Actionfilme ("The Rock") und gewann völlig zu Recht den Oscar als bester Hauptdarsteller ("Leaving Las Vegas"). Mittlerweile ist er 58 Jahre alt und hat in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren gefühlt alles gedreht, was ihm angeboten wurde, teils sechs Filme pro Jahr. Dieser Karriereweg führte ihn durch einige faszinierende B-Pictures ("Prisoners of the Ghostland") und einige sehr hübsche Indie-Produktionen jenseits von Hollywood ("Pig"). Außerdem legte er eine Zweitkarriere als Youtube-Star hin, mit Schnipselvideos aus seiner Karriere, und kreierte für Netflix "Die Geschichte der Schimpfwörter".

Er ist also letztlich ein lebendes Gesamtkunstwerk geworden. Deshalb kam der Regisseur Tom Gormican auf die Idee, eine fiktive Komödie über das Phänomen Nicolas Cage zu drehen. Der verkürzte deutsche Verleihtitel "Massive Talent" fängt leider nicht die volle Ironie-Ebene dieses Projekts ein. Im Original heißt es poetischer: "The Unbearable Weight of Massive Talent".

Die erste Hälfte dieser Actionkomödie kommt dem echten Nicolas Cage durch den fiktiven Nicolas Cage vermutlich recht nahe, zumindest so, wie man sich den echten Nicolas Cage vorstellt. Unter anderem streitet sich der Nic Cage der Gegenwart mit einer digital verjüngten Version seines früheren Ichs über seine Karriere. Das jüngere Ich steckt gerade voll in seiner Sturm-und-Drang-Phase und trägt ein "Wild at Heart"-Shirt. Während einer Autofahrt durch Los Angeles stellt es das abgehalfterte ältere Ich vom Beifahrersitz aus brüllend zur Rede. Was hast du nur für schwachsinnige Entscheidungen getroffen, du Trottel?! Zeig Ihnen, wer Nic Cage ist! Tell 'em, Nic Cage schmoozes good!

Auch privat hat der fiktive echte Nicolas Cage Probleme. Seine fiktive Teenager-Tochter will mit ihm partout keinen seiner langweiligen Filmabende absitzen. Sie hält Humphrey Bogart für einen Pornostar und hasst Daddys Lieblingsfilm "Das Cabinet des Dr. Caligari". Warum um Gottes Willen, sagt Cages fiktive Exfrau zu ihm, als er sich darüber beschwert, sollte sich das Kind einen hundert Jahre alten deutschen Stummfilm ansehen wollen?

Leider lässt der Regisseur den fiktiven echten Nic Cage dann noch in eine abstruse Gangstergeschichte auf Mallorca stolpern. Mit Ballerszenen, die an Cages wunderbares Neunzigerjahre-Oeuvre nicht ansatzweise heranreichen. Geht man nach einer Dreiviertelstunde aber einfach aus dem Kino, um ein Bier auf den großen Nicolas Cage zu trinken, hat man einen ausgezeichneten Kurzfilm gesehen.

The Unbearable Weight of Massive Talent, USA 2022 - Regie: Tom Gormican. Buch: Kevin Etten, Tom Gormican. Kamera: Nigel Bluck. Mit: Nicolas Cage, Pedro Pascal. Leonine, 107 Minuten. Kinostart: 16.6. 2022.

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