Martin Sheen zum 70.:Der Feind im Spiegel

In "Apocalypse Now" wurde der verstörende Trip in die amerikanische Psyche von einem eher bodenständigen Jungen gespielt - nun wird Martin Sheen 70 Jahre alt.

Fritz Göttler

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Martin Sheen Apocalypse Now

Quelle: Getty Images

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In Apocalypse Now wurde der verstörende Trip in die amerikanische Psyche von einem eher bodenständigen Jungen gespielt - nun wird Martin Sheen 70 Jahre alt.

An seinem 36. Geburtstag, dem 3. August 1976, schrieb Martin Sheen Kinogeschichte. Da wurde die berühmte Anfangsszene von Apocalypse Now gedreht, Captain Willard allein im Hotelzimmer in Saigon - es ist die Szene, um die der ganze Film kreisen wird, in einer beklemmenden Spirale des Wahnsinns, und die, trotz allem, was dann Marlon Brando machen wird, sehr gut mithalten kann mit dem Delirium zum Schluss des Films.

Martin Sheen (rechts) mit Marlon Brando im Film Apocalypse Now aus dem Jahr 1973

Text: SZ vom 3.8.2010, Bildauswahl: Felicitas Kock/sueddeutsche.de/kar

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Quelle: action press

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Martin Sheen ist Captain Willard, kampfesmüde, frisch geschieden, das alles hat er noch nicht verarbeiten können. Er ist abgefuckt, durchgeknallt, das heißt prädestiniert für den Job, den er kurz darauf von der CIA angeboten bekommt, dieses Killerkommando, diese Reise den Fluss hinauf ins Herz der Finsternis, zum dämonischen Colonel Kurtz. Der Ventilator des Hotelzimmers schabt durch die Luft mit dem gleichen Geräusch wie die Helikopter im Dschungel, er schneidet die Zeit in lauter sinnlose kleine Augenblicke.

Sheen (rechts) mit Dennis Hopper in Apocalypse Now

\"APOCALYPSE NOW REDUX\"

Quelle: ddp

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Sheen hatte den ganzen Tag getrunken, "ich war ein Alkoholiker, damals". Es ist drückend heiß. Coppola zögert, Sheen insistiert. "There is something here I need to investigate." Coppola lässt zwei Kameras aufstellen. "Wann immer du stoppen willst, sag es ..." Sheen beginnt seinen selbstversunkenen Tanz, rituelle Kampfbewegungen vor dem Spiegel, er sieht sich selbst als seinen Feind. Ein Freund, ein Vietnamveteran, hatte ihn Karate gelehrt, und am besten, hatte er erklärt, trainiere man vor dem Spiegel. "Because nothing is faster than your reflection." Eine ausgreifende Bewegung, die schlecht koordiniert ist, die Hand trifft den Spiegel, ein böser Schnitt im Daumen, Blut. Coppola ruft "Cut!" Sheen ruft "Nein, dreht weiter! I want this for me!" Sheen kauert neben dem Bett, den Körper mit seinem Blut verschmiert, er bringt sich selbst als Opfer dar. Ein Dreivierteljahr später hatte er, mit 37, eine Herzattacke. Coppola wollte ihm die Szene zeigen, bevor er sie in den Film steckte, aber Sheen wollte nicht, erst viel später hat er sich den Film angeschaut, im Kino, als zahlender Zuschauer.

Sheen als Captain Willard in Apocalypse Now

Martin Sheen

Quelle: Getty Images

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Investigatives Schauspielern ... Es ist gar nicht erstaunlich, dass der verstörendste Trip in die amerikanische Psyche der Siebziger durchgeführt wurde von einem eher bodenständigen, normalen Jungen - die ganz gewöhnliche amerikanische Anarchie, die im Herzen des patriarchalischen Familiensystems steckt und jederzeit ausbrechen kann.

Charly Sheen und Emilio Estévez

Quelle: ASSOCIATED PRESS

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Martin Sheen wurde geboren als Ramón Estévez, der Vater war spanisch, die Mutter irisch. Auch seine Kinder sind nun beim Film, Charlie Sheen und Emilio Estévez.

Im Bild: Martin Sheens Söhne Charlie Sheen und Emilio Estévez.

Martin Sheen gegen den Krieg im Irak

Quelle: ASSOCIATED PRESS

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Sheen ist bekennender Katholik, hat sich nur zeitweise von der Kirche distanziert, als die ihm nicht kämpferisch genug war. Er spielte den Richter in Emile de Antonios In the King of Prussia, wo der Prozess der Plowshares Eight skizziert wurde, einer Gruppe von Atomkriegsgegnern, zu der auch die Priester Dan und Phil Berrigan gehörten. Sheen hat sich öffentlich gegen die Aufrüstungspläne von Reagan und den Irakfeldzug von Bush gewandt.

Martin Sheen Gandhi

Quelle: Getty Images

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Als er eine kleine Rolle in Gandhi spielte, hat er seine Gage Mutter Teresa und anderen zukommen lassen - man macht doch kein Geld mit Gandhi!

1982 mit Ben Kingsley (rechts) im Film "Gandhi"

Martin Sheen

Quelle: ASSOCIATED PRESS

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Dutzende Filme und TV-Stücke hat Martin Sheen in seiner Karriere gemacht, unglaublich viele kleine belanglose Sachen sind darunter, zum richtigen Star hat er es nie geschafft. (Im Gegensatz zu Harvey Keitel, den Coppola erst als Willard eingesetzt hatte- und der, im Nachhinein betrachtet, wohl viel zu lässig wäre.) Martin Sheen sieht das positiv, die Freiheit vom Imagezwang, als Möglichkeit zum Experimentieren.

1965 mit Irene Dailey im Broadway-Drama "The Subject was Roses"

SHEEN

Quelle: ASSOCIATED PRESS

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Dreimal hat er amerikanische Archetypen verkörpert, den Willard und später den Präsidenten Bartlet in der TV-Serie The West Wing, 1999 bis 2006, und, in einer seiner ersten Rollen, den Kit in Badlands von seinem Freund Terrence Malick, den jugendlichen Rebellen, der nicht zu wissen braucht, was er tut, und mit schrecklicher Gelassenheit Menschen umbringt, die ihm und seinem Mädchen, Sissy Spacek, auf dem Trip durch South Dakota über den Weg laufen.

Sheen als Präsident Bartlet in der TV-Serie "The West Wing"

Politischer Hollywoodstar: Martin Sheen wird 70

Quelle: dpa

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Ein James-Dean-Wiedergänger, und der Film lässt keinen Zweifel daran, dass auch Dean seine graziöse Unschuld verlieren hätte müssen, wenn er länger gelebt hätte.

© SZ vom 03.08.2010/feko/kar
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