Monika Marons Hundeerzählung:Die Rüdin und ihr Frauchen

Monika Marons Hundeerzählung: Die Schriftstellerin Monika Maron und der weibliche Hund Bonnie Propeller.

Die Schriftstellerin Monika Maron und der weibliche Hund Bonnie Propeller.

(Foto: Vivian J. Rheinheimer/privat/vivian@rheinheimer.org/privat)

Niedliches Tier, köstliche Geschichte: Die politische Aufregung um Monika Maron lädt sogar ihre harmlose Idylle "Bonnie Propeller" mit Bedeutung auf.

Von Lothar Müller

Scharfzüngig sei sie, kann man über die Schriftstellerin Monika Maron lesen. In ihrer neuen Erzählung "Bonnie Propeller" ist sie es nicht. Der Titel lässt an Kinderbücher von einst denken, im Genre der humoristischen Idylle, die Heldin ist ein kleiner Hund.

Leicht ließe er sich in die Reihe der Hunde eintragen, die, mal Retter, mal gerettet, in den Büchern Monika Marons auftauchen. Das muss aber nicht sein. Die Erzählerin, wie die Autorin Jahrgang 1941 und allein lebende Großstädterin in Berlin mit ländlichem Domizil in Vorpommern, macht von Beginn an klar, dass Bonnie Propeller sich auf einer Art Planstelle bewähren muss: "Momo starb ein paar Tage vor Weihnachten." Der Vorgänger ist aber nicht tot, sondern geistert als Erinnerung durch die Erzählung, wie Bruno, der Vorvorgänger. Beide waren Rüden, beide größer als Bonnie Propeller, beide der Stellenbeschreibung gewachsen: "Zwischen dem Hund und mir geht es nur um das Elementare, um die Nahrung, die Gemeinsamkeit und um Liebe. Es ist das Bündnis von zwei Kreaturen mit dem einzigen Zweck, einander Freude und Beistand zu sein."

Die Begegnung der Kreaturen auf Augenhöhe ist der Gegenentwurf zum Machtgefälle zwischen Herr und Hund, sie findet in der Welt statt, in der vor noch nicht allzu langer Zeit die Hundehalterin ein "Frauchen", der Hundehalter ein "Herrchen" war. Auch bei riesigen Doggen. Die Pfleger in den Tierheimen sagen, dass sich niemand einen Hund anschaffen soll, der nicht bereit ist, Autoritätsperson zu sein. Das Kreaturenbündnis folgt einer anderen Idee, sie zielt eher Richtung Paradies.

Sie muss eine Leerstelle füllen, die von Rüden geschaffen wurde

In der modernen Literatur hat die reine Idylle, das Vollglück in der Beschränkung, ausgedient. Sie muss sich immer noch gegen alles abschirmen, was sie bedroht, macht das aber längst nicht mehr durch Ausschluss, sondern durch die Allzweckwaffe des humoristischen Erzählens. Ein Satz wie "Den Hund verstehen bedeutet auch, das Tier in mir zu verstehen" könnte auf abgründige Abwege führen, aber nicht bei diesem Hund, nicht bei Bonnie Propeller. Dafür ist er zu niedlich - seine Haupteigenschaft - und die Geschichte, was es mit seinem Namen auf sich hat, zu köstlich.

Nein, nicht er, sondern sie. Bonnie Propeller ist die erste Hündin, die sich die Erzählerin anschafft. Sie muss eine Leerstelle füllen, die von Rüden geschaffen wurde. In einer Zeit, in der "die Diskussion über das biologische und das konstruierte soziale Geschlecht von Menschen sogar bis in die Hunderatgeber gedrungen" ist. So wird sie in der gendergerechten Sprache dieser Erzählung zur "Rüdin". Damit sind die Schwierigkeiten der Leerstellenauffüllung aber nicht behoben. Sie liegen darin, dass Bonnie Propeller klein und hässlich ist. Das sah auf dem Internetvideo, mit dem für sie geworben wurde, noch anders aus. Beim Nachmessen fehlen zehn Zentimeter. Die Stellenanwärterin hat das Zeug, zur Enttäuschung zu werden.

Aber zum Glück auch zur komisch-liebenswerten Figur, und das lässt sich die Erzählerin nicht entgehen und setzt zur Vertreibung der Enttäuschungsgeister kleine selbstironische Tupfer. Am Ende ist alles, alles gut und natürlich darf der Todfeind der Idylle, der Tod, nur im Hintergrund herumrumoren. In dezenten Anspielungen wie der, dass sich die Erzählerin im Formular der Hundevermittlung zehn Jahre jünger macht und Bonnie Propeller sehr jung ist: "Dieses kleine, unschöne Tier sollte nun mein letzter Hund sein, mit dem ich schicksalhaft bis zum Tod verbunden bleiben sollte. Nein, nein".

Woher kommt der Umschlag von politischer Dramatik in die Hundeidylle?

Leider ist Bonnie Propeller der Erzählungsband abhanden gekommen, in dem sie einen Platz hätte finden können. Klein, wie sie ist, kann sie ein ganzes Buch nicht füllen. Wenn man sie nachmisst, kommt sie gerade mal auf 45 Seiten, denen man nicht vorwerfen kann, dass sie zu eng bedruckt sind. Monika Marons neuer Verlag bringt dennoch die harmlose Hundeidylle, in der es dem humoristischen Ton nicht immer gelingt, die schwanzwedelnde Treuherzigkeit im Zaum zu halten, als Buch zum stolzen Preis von 15 Euro heraus.

Das ist eine Spekulation zum einen auf das Weihnachtsgeschäft, zum anderen auf das Aufsehen, das Monika Maron jüngst erregt hat, als sie einige ihrer Essays in der "Exil"-Reihe der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen veröffentlichte. Die Publikation führte zum Konflikt mit dem S.-Fischer-Verlag, in dem ihre Bücher seit Jahrzehnten, schon zu DDR-Zeiten erschienen. Die vom Verlag geforderte "Distanzierung von einem publizistischen Netzwerk, in dem völkisch und rassistisch argumentiert wird", mochte die Autorin nicht leisten, es kam zur Trennung. In "Bonnie Propeller" gibt es zwar eine Lesung bei einer anonymen Dresdner Buchhändlerin, aber die bleibt Staffage. Der Verlag verkauft das Buch dennoch mit einer Art Skandalaufschlag und degradiert Bonnie Propeller, kaum hat sie mit Mühe das Herz ihres Frauchens erobert, zur Trittbrettfahrerin einer politischen Aufregung.

Woher kommt in der deutschen Literatur das Modell des Umschlags von politischer Dramatik in die Hundeidylle? Von Thomas Mann. Im März 1918 hat er die "Betrachtungen eines Unpolitischen" abgeschlossen, nicht weit weg von konservativer Revolution, jedenfalls anti-republikanisch und sofort danach mit der Arbeit an "Herr und Hund" begonnen. Damit war er im Oktober fertig. Dann kam die Republik. Die Erzählung handelt von einem Hund aus dem Volk, "Bauschan". Sein Vorgänger, ein Aristokrat namens Perceval, wurde erschossen. Nicht lange, nachdem Thomas Mann in "Herr und Hund" über Herr und Knecht, die Jagd und sein Verhältnis zu Lederpeitschen nachgedacht hatte, begann seine Aussöhnung mit der Republik. Auf dieses Modell können wir hoffen. Das rechtfertigt aber nicht den überhöhten Preis.

Monika Maron: Bonnie Propeller. Erzählung. Hoffmann und Campe, Hamburg 2020. 64 Seiten, 15 Euro.

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