Marlene Dietrich als Vorbild:Die Lieder seiner Großmutter

Tim Fischer

Gestreift vom Hauch einer mondänen Vergangenheit: Tim Fischer.

(Foto: Agentur Charis)

Tim Fischer steht seit drei Jahrzehnten als Chansonnier auf der Bühne. Im Lustspielhaus stellt er sein neues Programm vor und kombiniert Altes, Neues und Zeitloses

Von Oliver Hochkeppel

Wenn jemand mit 46 Jahren bereits sein 30-jähriges Bühnenjubiläum feiert, erübrigt sich Erbsenzählerei. Eine Freundin habe ihm vor Kurzem gesagt, sie habe nachgerechnet, und er habe 30-Jähriges, sagt Tim Fischer. Eine genauere Recherche ergibt freilich, dass sein erstes abendfüllendes Programm bereits vor 31 Jahren Premiere hatte. Auf der Bühne ausprobiert hat sich Deutschlands wohl bekanntester Chansonnier schon vom zwölften Lebensjahr an. Ohnehin bergen schon die frühen Jahre des Tim Fischer Geschichten, für die andere ein ganzes Leben brauchen.

Was damit beginnt, dass er sich am falschen Ort ins Leben geworfen findet: Im niedersächischen Hude zwischen Oldenburg und Delmenhorst, als Kind von "übriggebliebenen Hippies", wie er seine Eltern beschrieb. Sein früher Protest bestand darin, dass er keinen Rock und Punk wie sie hören wollte, sondern Zarah Leander (die ihn obendrein an seine norwegische Großmutter erinnerte), Marlene Dietrich oder Lale Andersen. Die Musik, die der unglückliche Waldorfschüler mit neun in einem Plattenladen auf einer Kassette entdeckt hatte, und die fortan sein "großer Lichtblick" sein sollte. Mit 17 war er dann weg, in Hamburg debütierte der frühreife Androgyne in der legendären "Tresen-Show" im Schmidt-Theater, bald darauf hatte er dort seinen Durchbruch mit der Leander-Hommage "Zarah ohne Kleid".

Weiter ging es dann nach Berlin, der Stadt seiner von den 20er- und 30er-Jahren erfüllten Sehnsucht, in der Fischer bis heute lebt. Hatte erste unglückliche Liebeleien, wurde drogensüchtig, musste "erst mal auf die Schnauze fallen", wie er sagt. Rappelte sich aber schnell wieder auf und bekam bereits 1994 eine erste große Geschichte im Spiegel.

Der Rest ist sozusagen Geschichte: Tim Fischer wurde zum hierzulande höchstdekorierten Chansonnier - vom Deutschen Kleinkunstpreis bis zum Lale-Andersen- oder dem Deutschen Chanson-Preis hat er nahezu alles gewonnen, was es in seinem Genre zu gewinnen gibt -, zum Herrscher der Kleinkunsttempel und Varietés, der dann in diesen Rollen auch als Schauspieler Erfolg hatte. Schon 2001 spielte er in Werner Schroeters "Deux" an der Seite von Isabelle Huppert die Josephine Baker. Zuletzt war Fischer - logisch - in "Babylon Berlin" zu sehen, auch in der nächsten Staffel wird er mitspielen.

Nun also eine Jubiläumsfeier nach über 30 Programmen, 2300 Konzertabenden und 20 CDs. Für den quirligen Tim Fischer kein Grund innezuhalten. Ein brandneues, als Doppelalbum erschienenes Programm hat er sich eingebildet. "15 alte und 15 neue Songs", wie er erklärt, wobei nicht ganz klar ist, was er wozu rechnet. Friedrich Hollaenders "Stroganoff" ist ebenso dabei wie Stephan Sulkes "Lotte" oder Ludwig Hirschs "Komm, großer schwarzer Vogel". Seine Erfolgsnummer "Rinnsteinprinzessin" wie "Was willste denn in Wien" der Kollegen Pigor & Eichhorn oder der "Babylon Berlin"-Hit "Zu Asche, zu Staub". Den Titelsong "Zeitlos" hat er sogar komplett selbst geschrieben.

Dafür, dass dieses bunte Potpourri nun auch im Lustspielhaus immer ehrlich und als berührende Minidramen rüberkommen, sorgt Fischer selbst. Dafür, dass das auch exquisit klingt, seine erlesene, ebenso bunt durchmischte vierköpfige Band. Sein alter Weggefährte Rainer Bielfeldt sitzt da wieder am Klavier, die musikalische Leitung aber hat der Jazz-Bassist Oliver Potratz, der für die Songs "geniale Arrangements geschrieben hat", wie Fischer findet.

Tim Fischer, Do. und Fr., 14. Und 15. Nov., 20 Uhr, Lustspielhaus, Occamstraße 8

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