Mario Adorfs Privatarchiv:Auch ein Weltstar macht mal Mist

Mario Adorf hat der Berliner Akademie der Künste sein Privatarchiv überlassen. Es zeigt, wie er in seinen Rollen vom kleinen Banditen zum gewichtigen Patriarchen wurde. Doch Adorf kann nicht nur den Schauspieler geben - die Ausstellung würdigt ihn auch als Foto-Künstler und Autor.

Anke Sterneborg

Polternd und melancholisch, grimmig und jovial, als kerniger Bauarbeiter oder als distinguierter Baulöwe, als schwitzender Mexikaner oder als schmieriger Mafioso, Komiker oder Kommissar, Mitläufer oder Opportunist: Die tausend Gesichter des Mario Adorf, sie springen einen geradezu an, auf 600 Quadratmeter Ausstellungsfläche in der Akademie der Künste.

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Mario Adorf vor Bildern von sich, die zu einer Ausstellung auf 600 Quadratmetern in der Akademie der Künste gehören.

(Foto: AFP)

2009 hat der Schauspieler der Berliner Akademie sein Privatarchiv überlassen, das nun die Grundlage dieser schillernden Präsentation ist. Wie in einem Kaleidoskop setzt sich da eine imposante Weltkarriere zusammen, die ihm in ihrer geographischen und schauspielerischen Breite so schnell keiner nachmachen wird: Gedreht hat er neben Deutschland auch in Italien, Frankreich, Hollywood, und immer in der Landessprache, die bei ihm zum Handwerkszeug gehörte - begünstigt durch seine Geburt als unehelicher Sohn eines italienischen Chirurgen und einer elsässischen Röntgenassistentin.

Brigitte Bardot und Sophia Loren waren seine Partnerinnen, Senta Berger und Claudia Cardinale, Anna Thalbach und Barbara Sukowa, er hat mit großen Regisseuren gearbeitet wie Robert Siodmak, Sam Peckinpah, Claude Chabrol, Billy Wilder, Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff . . .

Die Ausstellungsräume der Akademie sind durchdrungen von der unbändigen Lust am Spiel und an der Verwandlung und einem Interesse noch für die Monster, die er verkörperte. Aber dann ist da auch der Ruch des Boulevards, griffige Schlagzeilen zeigen Volksnähe, "Einmal Schurke, immer Schurke" oder "Super-Mario", es gibt markige Zitate wie "Ich bin ein dressierter Gaul" oder "Ich bin doch kein Weltstar, dafür habe ich zu viel Mist gemacht".

Akribisch wurden all diese Ausschnitte aus Zeitungen und Illustrierten bald 50 Jahre lang bis zu ihrem Tod 1998 von Adorfs Mutter gesammelt und liebevoll auf große Seiten geklebt, hie und da mit stolzen Kommentaren und Unterstreichungen versehen. Jetzt säumen sie die Wände der Akademie, füllen die Vitrinen, mit den Fotos und Dokumenten eines Lebens, frühe Schulhefte, Abschlusszeugnisse, Vorlesungsverzeichnisse.

Verlorenheit in dunklen Augen

Das Studium von Theaterwissenschaft, Literatur und Psychologie erweist sich als gutes Fundament für die Schauspielerei, gefolgt vom Theatertraining, etwa bei Kortner, der ihm an den Münchner Kammerspielen beibringt, sich intensiv mit dem Text auseinanderzusetzen. Wie sehr das nachwirkte, lässt sich aus den Notizen ablesen, die Adorf in seine Drehbücher schrieb - so hat er in Helmut Dietls "Kir Royal" seinem Klebstofffabrikanten und Lebemann Haffenloher statt des hochdeutschen "Geld" ein erdiges "Jeld" in den Mund gelegt.

Nach ein paar kleinen Rollen beginnt Adorfs Filmkarriere 1957 mit einem Paukenschlag, mit dem psychopathischen Frauenmörder Bruno Lüdke in Robert Siodmaks "Nachts, wenn der Teufel kam", die ungeheure Präsenz im gedrungenen Körper durchsetzt er mit einer Verlorenheit im Blick seiner dunklen Augen unter den buschigen Brauen.

Wenn ihm solche nachdenklichen Momente herausgeschnitten werden, kann er sehr nachtragend sein, wie Volker Schlöndorff in einem der für die Ausstellung geführten Interviews erzählt: Versöhnt war Adorf erst, als die Szene, da der naive Mitläufer Matzerath dann doch wie ein Löwe um seinen von der Nazi-Euthanasie bedrohten Sohn kämpft, in dem voriges Jahr veröffentlichten Director's Cut der "Blechtrommel" wieder eingefügt wurde.

In kleinen, schmucklos improvisierten Kinos, in Bretterverschlag-Guckkästen kann man Mario Adorf lebensgroß auf Augenhöhe begegnen, in zahlreichen Filmausschnitten, die thematisch und motivisch gebündelt sind, von den ersten Kinoerfolgen und dem Rollenklischee des Bösewichts, über die Banditen und Mexikaner im europäischen Western und die Mafiosi in italienischen Gangsterfilmen, zu den Charakterrollen in den Werken der deutschen Autorenfilmer, die ihn spät für sich entdeckten, Schlöndorff in "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" oder Fassbinder in "Lola".

Die Ausstellung markiert die Wendepunkte im Werk von rund 220 Filmen und vielen Theaterauftritten - sein lebensechter Mussolini in Florentano Vancinis "Die Ermordung Matteottis", 1973, seine Rolle in "Major Dundee", auf Vermittlung von Paul Kohner, für Sam Peckinpah, noch so eine Urgewalt des Kinos. Irgendwann wandelte er sich mit fülligem weißen Haar zum großen Patriarchen in Literaturverfilmungen und Fernsehmehrteilern wie "Der große Bellheim", in denen er oszillierend zwischen böser und gutmütiger Macht würdig altern durfte.

Dazu präsentiert die Ausstellung Adorf auch als Künstler und Fotograf, als Autor von Erzählungen und "unordentlichen Erinnerungen". Und lässt nicht den geringsten Zweifel, dass der 81-Jährige noch voll aktiv ist. The Adorf-Show will go on.

". . . böse kann ich auch". Bis 15. April in der Berliner Akademie der Künste, Pariser Platz 4. Die Broschüre zur Ausstellung kostet 9,80 Euro.

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