"Maria Stuart" im Kino:Wie grausam die Männer sind

Mary Queen of Scots

Maria Stuart (Saoirse Ronan) schätzt an Lord Darnley ( Jack Lowden) nicht nur seine Höflichkeit.

(Foto: Universal)

Josie Rourkes "Maria Stuart" will den berühmtesten Frauenkonkurrenzkampf der britischen Geschichte so feministisch wie möglich interpretieren. Das macht den Film als Debattenbeitrag interessant - als Kunstwerk eher nicht.

Von Kathleen Hildebrand

Es hätte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein können. Im Jahr 1561 kommt die 18-jährige Witwe Maria Stuart aus Frankreich, wo sie ein Jahr lang Königin war, zurück nach Schottland. Elizabeth I. ist Königin von England. Und ja, es gibt da ein gewisses Konfliktpotenzial, weil auch Maria Anspruch auf ihren Thron hat. Aber sie will Elizabeth ja nicht stürzen, sondern nur als deren Erbin eingesetzt werden. Maria schreibt sanftmütige Briefe nach London, nennt Elizabeth "Schwester". Und auch Elizabeth antwortet in freundlichen Worten.

Eigentlich wollen diese beiden einander nichts Böses. So vermutet es zumindest die britische Regisseurin Josie Rourke in ihrem Historienfilm "Maria Stuart, Königin von Schottland" über den berühmtesten Frauenkonkurrenzkampf, den die englische Geschichte zu bieten hat. Elizabeth und Maria könnten zusammen ausreiten, sich die roten Haare flechten und über Königinnendinge reden, die sonst niemand versteht. Wären da nur nicht all diese düsteren Männer mit ihren Bärten in den Kronräten von England und Schottland. Die nämlich glauben nicht an den Frieden. Sie wollen Macht und Blut und hetzen die guten Königinnen gegeneinander auf. Die Folgen: ein Bürgerkrieg, mehrere Schlachten und zwei unglückliche Frauen, von denen eine am Ende ihren Kopf lassen muss.

"Wie grausam die Männer sind", sagt Elizabeth einmal, als sie gerade in den Armen ihres Geliebten Dudley liegt. Es klingt, als würde sie deren blutige Spiele nur unbeteiligt beobachten. Den Befehl, einen Bürgerkrieg in Schottland anzuzetteln, um Maria Stuart zu schwächen, gibt sie ihrem Berater William Cecil nur stumm. Sie wolle nichts davon wissen, sagt sie, und kehrt zurück in ihre Gemächer, wo sie Blumenbilder aus Papierstreifen bastelt.

Historienfilme über die Herrscherfiguren der Weltgeschichte begnügen sich oft damit, die Psychen ihrer Figuren genauer oder zumindest anders auszuleuchten, als ihre Vorgänger das getan haben, historisch verbürgte Charaktere mit originellen, aber epochengemäßen Szenen neu zu fassen - und dann dafür Preise einzuheimsen, meist für Kostüme und Schauspielerleistung. Dieser Film aber will mehr. Er will die berühmte Frauenbeziehung so zeitgenössisch und so feministisch wie möglich interpretieren. Auch wenn Frauen ausnahmsweise mal an der Macht sind, verderben die Männer um sie herum doch wieder alles. Seine eindeutige These macht den Film als Debattenbeitrag interessant, als Kunstwerk ist er aber nicht sehr subtil.

Saoirse Ronan spielt Maria Stuart umwerfend leidenschaftlich als personifizierten frischen Wind. Sie ist machtbewusst, starrköpfig und naiv zugleich. Manchmal erinnert sie an eine idealistische Geisteswissenschaftlerin, die, frisch von der Uni, ihren ersten Job dummerweise in einem fiesen Großunternehmen voller intriganter Karrieristen bekommen hat. Die Welt gehört mir, mag sie denken. Aber sie gehört eben doch den Männern. Maria gewährt ihrem Volk Konfessionsfreiheit, lässt sich aber von der Frauenfeindlichkeit des protestantischen Reformers John Knox zu leicht provozieren. Und sie ignoriert, dass sie mit ihrer Aufgeschlossenheit für Diversität den meisten schottischen Edelleuten ungefähr 450 Jahre voraus ist: Im Kreis ihrer Zofen spielt ein schwuler Italiener mit transsexuellen Tendenzen die Laute, angelehnt an Marias Privatsekretär David Rizzio, für den Geschichte wie Film ein brutales Schicksal bereithalten.

Elizabeth I. soll sehr hässlich sein, wird aber von der schönen Margot Robbie gespielt

Auch die Regisseurin hat ihre Critical-Whiteness- und Anti-Repräsentations-Theorie sehr genau gelesen. So sind, völlig unkommentiert, Schwarze unter den englischen Edelleuten in Elizabeths Rat, und ihre Chefzofe wird von Gemma Chan aus "Crazy Rich Asians" gespielt. Das jedenfalls funktioniert so gut, dass man sich fragt, wieso andere Historienfilme über westliche Geschichte noch immer mit "historisch korrekter" rein weißer Besetzung arbeiten. Was die Beziehung zwischen Maria und Elizabeth angeht, leidet der Film aber an theoretischer Überfrachtung. Die Königinnen sind nicht nur Neuinterpretationen historischer Herrscherfiguren; sie müssen auch noch zwei Konzepte von Weiblichkeit und den Konflikt zwischen altem und neuem Feminismus verkörpern.

So reitet die schöne junge Maria in strahlend madonnenblauen Kleidern in die Schlacht wie ein schottischer Hybrid aus Jeanne d'Arc und Muttergottes. Sie bekommt ein Kind. Sie hat Lust auf Sex und wählt, politisch riskant, ihren hübschen Cousin Lord Darnley zum Ehemann, nachdem er ihr seine Cunnilingus-Fähigkeiten demonstriert hat. Von der Regierung hält sie ihn aber trotzdem fern. Maria ist die moderne Millennial-Frau, die alles will: Erfolg, Familie, schöne Kleider, Lust und eine bessere Welt nach ihrem Vorbild.

Elizabeth hingegen steht schon früh im Film auf dem Palastdach, blickt in die Ferne und sagt zu ihrem Berater, dass sie mehr Mann als Frau sei. Die Macht hätte sie dazu gemacht. Sie versagt sich Körperlichkeit, heiratet nicht, hat keine Kinder. Ihre Kleider haben biedere Farben, sie trägt Perücken, und nach einer heftigen Pockenerkrankung malt sie, um die Narben zu verdecken, weiße Farbe so dick auf ihr Gesicht, dass sie klumpt und bröckelt.

Dass man ihr die Frau, die ihre Weiblichkeit auf dem Altar der Macht opfert, nicht ganz abnimmt, liegt zum einen an der künstlichen Schärfe des Kontrasts zu Maria. Es liegt aber auch daran, dass die im besten Mainstream-Sinne schöne Margot Robbie diese Rolle spielt. Um sie zu entstellen, reichen eine Nasenprothese und eine Schicht Krümelschminke einfach nicht. Eine allzu deutlich ausgestellte Entstellung wird unglaubwürdig. Mit dem gesamten Film ist es ähnlich. Wird Geschichte zu offensichtlich auf Zeitgenossenschaft getrimmt, dann verdirbt das dem Zuschauer die Freude daran, selbst herauszufinden, was sie ihm heute zu sagen haben könnte. Ein bisschen mehr Geheimnis und Zweifel hätten dem Film gutgetan.

Mary Queen of Scots, GB 2018 - Regie: Josie Rourke, Buch: Beau Willimon, Alexandra Byrne, John Guy. Mit: Saoirse Ronan, Margot Robbie. Universal, 125 Minuten.

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