Macht Altes Testament aggressiv?:Bibel brutal

Lesezeit: 2 Min.

Gehört Gott auf den Index? Bisher standen nur Killerspiele und Gewaltvideos unter Verdacht, Aggressiongelüste aufzubauen. Wissenschaftler haben nun heraus gefunden: Auch alttestamentarische Lektüre steigert die Gewaltbereitschaft.

Philipp Wurm

Gewalt kann ja so viele Ursachen haben! Seit Jahren wogt die Diskussion um die "Killerspiele", die keinen anderen Inhalt haben als die Liquidierung des virtuellen Gegners. Dass der Zerstörungstrieb auch auf ganz andere Weise ausgelöst werden kann, hat nun eine Studie von Psychologen der University of Michigan, der Vrijen Universiteit in Amsterdam und der Brigham Young University herausgefunden.

Ausgerechnet die Lektüre von Bibeltexten, so die Forscher, könne "eine signifikante Erhöhung der Aggression bewirken" - und zwar besonders dann, wenn einzelne Episoden aus dem Gesamtzusammenhang gerissen werden. Für ihre Studie ließen die Wissenschaftler Probanden einen Auszug aus dem "Buch der Richter" lesen.

Es beschreibt auf drastische Weise eine Vergewaltigung ("Sie machten sich über sie her und trieben ihren Mutwillen mit ihr die ganze Nacht bis in den Morgen") und den anschließenden Aufruf Gottes zum Rachefeldzug gegen den Bruderstamm Benjamin. Ein blutiges Gemetzel, zehntausende Tote, ein Horrorszenario.

Gehört Gott auf den Index?

Nach der Lektüre sollten die Bibelleser in Kopfhörern von Testpartnern per Knopfdruck Lärm auslösen. Wählten sie dabei eine hohe Lautstärke, werteten die Forscher dies als Indiz für eine verstärkte Gewaltbereitschaft - was überdurchschnittlich häufiger geschah als bei Probanden, die nichts von der alttestamentarischen Schlacht gelesen hatten.

Jetzt ist es bewiesen: Die Bibel macht aggressiv! Ein Verdacht, den für kritische Geister die Kreuzzüge und der Irakkrieg schon länger nahegelegt hatten, ist nun wissenschaftlich erhärtet. Wenn der Bundespräsident in seiner Weihnachtsansprache die Botschaft der Bibel - Nächstenliebe und so weiter - propagiert, ist dies nur Fassadenpflege oder schlimmer noch, ein gefährlicher Irrtum.

Man wird umdenken müssen, in der Politik, in der Erziehung. Erst unlängst erklärte der bayerische Innenminister Günther Beckstein im christlichen Online-Magazin nikodemus.net, die Bibel sei "ein Buch der Weisheit, ein Buch der Lebensanleitung". Dabei steht nun die Frage im Raum, ob das Jahr für Jahr millionenfach verkaufte nicht besser mit einem Warnhinweis für Minderjährige auf dem Einband versehen werden sollte. Ist die Bibel ein Fall für die Freiwillige Selbstkontrolle? Gehört Gott auf den Index?

Schulen, die sich mit der wachsenden Gewaltbereitschaft bewaffneter Jugendlicher herumplagen, werden die Anschaffung der Heiligen Schrift künftig ohnehin überdenken. Und das alles ist ja nur der Anfang. Man stelle sich vor, was übrig bleibt, wenn die Wissenschaft erst einmal die Nibelungen und andere Splatter-Klassiker der Literatur untersuchen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass am Ende die Erkenntnis steht, dass letztlich alle Literatur gefährlich ist. Was für eine sentimentale Aussicht.

© SZ vom 29.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: