Süddeutsche Zeitung

Mac Millers letzter Rap:Kurz vorm Licht

Lesezeit: 2 min

Das jetzt postum erschienene Album "Circles" von dem Rapper Mac Miller zeigt, was für einen Verlust der Tod dieses Musikers für die Szene bedeutet.

Von Quentin Lichtblau

Posthume Alben von Menschen, die unter tragischen Umständen gestorben sind, kann man ja eigentlich kaum hören, ohne jede dritte Zeile als prophetische Todesreferenz zu lesen. Das Album "Circles" des vor bald zwei Jahren mit 26 an einer Mischung aus Drogen, Schmerzmitteln und Alkohol verstorbenen Mac Miller eröffnet mit den Worten "Well this is what it look like, right before you fall".

Eigentlich war Malcolm James McCormick, so sein bürgerlicher Name, im Sommer 2018 aber gerade wieder am Aufstehen, die Albumproduktion in der Endphase, noch wenige Wochen bis zum Beginn einer großen Tour. Miller hatte seine Probleme erkannt, thematisiert, bearbeitet: Einerseits die Drogen, seien es Codein oder das Antipsychotikum Promethazin, die er schon längst nicht mehr glorifizierte. Andererseits sein sensibles Innenleben, den Umgang mit der Trennung von der Popgigantin Ariana Grande, nach der er zugedröhnt gegen einen Strommast gerast war. Grande und McCormick waren zwei Jahre lang liiert gewesen, gefeiert als das übermenschlich talentierte Traumpaar ihrer Generation. Auch wenn eine solche Ikonisierung natürlich immer Gefahr läuft zu kippen, hatte sie durchaus ihre Berechtigung - trotz der schon während der Beziehung präsenten Dämonen in Mac Millers Leben. Wer einmal vergessen hat, wie zwei ultimativ verliebte Menschen aussehen, möge sich nur einmal ihren gemeinsamen Performance des Songs "My Favourite Part" auf Youtube ansehen.

Bereits auf dem Vorgängeralbum zu "Circles", "Swimming", zeigte sich nach Trennung, Tiefs und dem Autounfall ein junger Mann, der trotz seines vermeintlich harten Hip-Hop-Backgrounds nicht das "Was dich nicht tötet, macht dich härter"-Comeback, sondern lieber die Auseinandersetzung mit sich selbst suchte, die Wurzeln seiner Versagensängste, Süchte - und deren negative Folgen für sein Umfeld.

"Circles" ist ein vollwertiges und rundes Album geworden, keine Sammlung halbfertiger Demotapes

"Circles" führt diesen Ansatz fort, ist sozusagen die zweite Hälfte einer großen musikalischen Selbstreflexion. Der Hörer spürt noch die Last eines Menschen, der viel mit sich herumträgt und wenig Tageslicht zu Gesicht bekommt. Der zwar ständig high ist, aber dabei eben nicht durch die Wolken schwebt, sondern, wie im Song "Good News", nur an die viel zu niedrige Zimmerdecke stößt. Allerdings machte Mac Miller eben auch keinen depressiven Emo-Core, sondern eine Musik, die zum Ende seines Lebens gerade die Balance zwischen der Synkopiertechnik des Rap und einem erstaunlich variantenreichen Gesangsstil mit dem richtigen Grad an sediertem Blues-Slackertum gefunden hatte. Diese Kombination trifft auf "Circles" auf das professionell verstolperte Fundament sehr, sehr guter Studioinstrumentalisten, die selbst eine Jack-Johnson-artige Nummer namens "Surf" noch überaus intelligent klingen lassen, oder den Arthur-Lee-Klassiker "Everybody's Gotta Live" unpeinlich ins 21. Jahrhundert bringen können.

Die hörbare Verzweiflung, die Rückfälle in alte Muster, aber auch eine Ahnung von Optimismus - all das wiegt sich in einem Groove. Man kommt sich beim Hören wie ein im Beat kopfnickender Therapeut vor. Ein Sound, von Co-Produzent Jon Brion vervollständigt und sachte in Richtung Mainstream-Tauglichkeit geschubst, der aber eben auch Material für den Musiknerd bleibt, der gerne die im Studio verwendeten Bassverstärker googelt.

"Circles" ist ein vollwertiges und - ganz dem Namen gerecht werdend - rundes Album geworden, keine Sammlung halbfertiger Demotapes. Mit einem Protagonisten, der sich zwar an manchen Tagen noch in Selbstzweifeln vergrub, aber gerade bereit war, wieder ans Licht zu treten - und die musikalische Formel für viele weitere, große Werke gefunden hatte. Mehr als schade, dass es dazu nicht mehr gekommen ist.

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Quelle:
SZ vom 20.01.2020
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