Lyrik:Hier lief ein Mensch hier sprang ein Hase

Lyrik: Illustration aus Josef Guggenmos/Nikolaus Heidelbach: "Oh, Verzeihung, sagte die Ameis"

Illustration aus Josef Guggenmos/Nikolaus Heidelbach: "Oh, Verzeihung, sagte die Ameis"

Das "Ameisen"-Buch von Josef Guggenmos in einer erweiterten Neuausgabe von Nikolaus Heidelbach.

Von Hans-Joachim Gelberg

Schon zu Lebzeiten wurde Josef Guggenmos zum Klassiker der Kinderliteratur. Er wurde 81 Jahre alt. Mit ihm bekam die Kinderlyrik eine poetische Substanz besonderer Art. Seit über fünfzig Jahren sind seine Gedichte in zahllosen Sammlungen und Anthologien in immer neuen Auflagen zu finden. Seine erste größere Sammlung mit dem reizvollen Titel "Was denkt die Maus am Donnerstag?" wurde preisgekrönt und erreichte hohe Auflagen. Immer wieder gab es Auswahlbände seiner schönsten Gedichte. So mit dem hintersinnigen Titel "Oh, Verzeihung, sagte die Ameise" (1990). Die nun erweiterte Neuausgabe beglückt erneut. Schon deshalb, weil Nikolaus Heidelbach mit seinen Bildern die Tonlage der Texte wunderbar trifft.

Hier wird Welt angeboten, das Große im Kleinen. "Was lebt, ist sich nah." Ein Füllhorn bietet sich an, mehr noch, eine Zauberkiste. Wer sie öffnet, wer in dem Buch blättert, ist im Leseglück und findet wundersame Dinge. Zum Beispiel "Die schönste Geschichte der Welt". Auch Sonnenuntergang und Nebel, Wald und Feld, Spuren auf der Wiese. "Hier lief ein Mensch, hier sprang ein Hase. Was du nicht siehst, liest der Hund mit seiner Nase." Und so ein Augenblick ist wunderbar. "Es flog vorbei im Sonnenschein, / flog schnell vorüber und war klein. / Ein Käfer könnt's gewesen sein. / Doch sicher ist das nicht, o nein. / Leb wohl, du mein Vorüberlein." Aber was reimt sich auf Mensch? "Kein Tier grüßt mit verwandtem Klang. Auf Mensch reimt sich nur Mensch. "So einzigartig ist der Mensch! / Ist er's? Er bildet sich's ein."

Mit diesen Gedichten erfahren Kinder auf unvergleichlich spielerische Art von einer Dichtung, die genau ist im Beobachten

und Denken. Was auch bedeutet: Das Gemüt wird bewegt, aber nicht missbraucht. Guggenmos selbst hat sich, angeregt durch Kinderfragen, so vorgestellt: "Schaut man genau, / dann ist viel los - / dann ist das Kleine / schön und groß. / Dort kniet ein Mann / und guckt ins Moos. / Was sieht er da? / Wie heißt er bloß?"

Immer wieder haben sich Künstler auf ganz unterschiedliche Art mit Texten von Guggenmos befreundet. Das besondere Ereignis dieser umfangreichen "Ameise" sind nach wie vor die Bilder von Nikolaus Heidelbach. Guggenmos selbst fand sie "grandios". Nun hat Heidelbach dieser erweiterten Neuausgabe weitere Texte und Bilder hinzugefügt. Insgesamt sind es 201 bildnerische Einfälle, Bilder und Gedichte im Dialog. So behütet die Eule der Eulen das vierzeilige Eulengedicht von Josef Guggenmos. Oder eben auch, wie so ein Windstoß die kostbare Briefmarkensammlung der Prinzessin davonflattern lässt. Und zärtlich berühren Bild und Text der letzten Seite: In lausig kalter Gasse saß ein "zierliches Wiewaswarumchen, obdachlos. Gu nahm's nach Haus."

Dieses Buch ist ein Familienschatz, sozusagen möglichst griffbereit.

Josef Guggenmos: Oh, Verzeihung, sagte die Ameise. Mit Illustrationen von Nikolaus Heidelbach. Beltz & Gelberg, 2018. 300 Seiten, 26,95 Euro.

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