Süddeutsche Zeitung

Luxusmesse:Reich der Reichen

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Brexit? - Die Händler auf der Londoner Masterpiece lassen sich von einer Petitesse wie dieser nicht irritieren. Sie erwarten für die Post-EU-Ära gleichbleibend gute, wenn nicht sogar bessere Geschäfte.

Von Alexander Menden

Glenn Fuller verströmt Zufriedenheit, von der lässigen Haartolle bis zum Saum seiner roten Hose. Er hat am Stand, mit dem er bei der "Masterpiece" die Londoner Galerie Gladwell & Patterson repräsentiert, zwar noch kein Bild verkauft, aber die luxuriöseste Messe des britischen Kunstmarktjahres hat ja auch gerade erst angefangen.

Was Fuller in so gute Stimmung versetzt, sind nicht die Umsätze, sondern das Ergebnis britischen EU-Referendums. "Ich habe dafür gestimmt, die EU zu verlassen", erklärt er ungefragt. "Ich finde einfach, dass das Vereinigte Königreich stark genug ist, um auf den einen zwei Beinen zu stehen. Wir müssen uns jetzt nichts mehr von anderen vorschreiben lassen. Wenn man mal ehrlich ist: Die EU hat noch nie funktioniert. In den südlichen Ländern ist es heiß, da machen sie Siesta, im Norden wird durchgearbeitet - wie soll das zusammenpassen?"

Der Brexit ist, wie im ganzen Vereinigten Königreich, natürlich auch bei der siebten Masterpiece ein Thema. Panik strahlt niemand aus, mit dem man im riesigen Pavillon auf dem Gelände des Chelsea Hospital spricht. Das heißt aber nicht, dass alle der gleichen Ansicht darüber sind, was der drohende Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union nun eigentlich bedeutet.

Das schwache Pfund wird das Geschäft eher noch anregen, glaubt ein Galerist

Fuller zum Beispiel findet, er werde gut fürs Geschäft sein: "Es wird sich doch gar nichts groß verändern. Der niedrige Umtauschkurs für Sterling wird das Geschäft eher noch anregen!" Seine eigenen Waren preist er allerdings doch lieber in Dollar aus, darunter zwei sehr schöne Monets: "Le Chemin de Halage à Granval" von 1883 für neuneinhalb Millionen, und "Dejeuner sous la Tente" (1883-1886) für zwölfeinhalb Millionen.

Hugh Gibson, Leiter von Thomas Gibson Fine Art, einer anderen Londoner Galerie, sieht das ein bisschen anders. Ja, in den nächsten beiden Jahren werde sich erst einmal nicht viel verändern, meint er: "Vielleicht fallen sogar die fünf Prozent Einfuhrsteuer aus Ländern außerhalb der EU weg. Aber dass das Pfund weniger wert ist, heißt keineswegs, dass mehr gekauft werden wird." Das prominenteste Stück an seinem Stand ist ebenfalls in Dollar ausgepreist - eine "Composition" von Fernand Leger von 1939 soll 4,6 Millionen kosten.

Gibson hat dafür gestimmt, in der EU zu bleiben, und es dauert nicht lange, bis er vom Geschäft auf das Gesamtproblem zu sprechen kommt: "Wenn ich im Fernsehen 85-Jährige sehe, die in ihr Bier weinen weil sie 'endlich ihr Land zurückbekommen' haben, denke ich nur: Solche Leute hätten gar nicht mit abstimmen dürfen! Sie haben der jungen Generation die Zukunft verbaut. Opa gibt in ein paar Jahren den Löffel ab, aber sein 16-jähriger Enkel muss noch Jahrzehnte mit der Entscheidung leben."

Wie überall in Großbritannien erweist sich, dass auch bei der Masterpiece, bei der es sonst um harte Zahlen und Umsätze geht, die Emotion die Brexit-Debatte bestimmt. Noch vor zwei Jahren warnte der mittlerweile aus dem Organisationsteam ausgeschiedene Masterpiece-Mitbegründer Thomas Woodham-Smith, dass ein möglicher Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU eine große Gefahr für den langfristigen Erfolg des Messe-Konzepts: "Unsere Messe ist keine englische Veranstaltung, sondern eine europäische", sagte er damals. "Die interessantesten Händler kommen aus Italien, Spanien, Deutschland. Egal, ob man Kunst oder Autos verkauft, die Geschäfte profitieren ungeheuer vom europäischen Binnenmarkt." Nun, da der Brexit beschlossene Sache ist, weiß niemand, was die Zukunft bringt.

Es ist die Messe für alle, die sich zwischen Ascot und Wimbledon mit Luxusware eindecken wollen

Aber Nazy Vassegh, die die Messe seit drei Jahren leitet, gibt sich sehr optimistisch. "Alle sind gerade sehr aufgeregt - das Referendum war ja erst vergangene Woche", sagt sie. "Jetzt müssen die Politiker sich erst einmal positionieren, und der Staub muss sich legen. Bis dahin ist alles Business as usual." Auch für Vassegh stellt der niedrige Pfundkurs vorläufig eine Gelegenheit für mehr Verkäufe dar. Zudem stelle die Qualität der Werke, die bei der Masterpiece angeboten würden, einen gewissen Krisenschutz dar. "Das Segment des Marktes, in dem wir arbeiten, ist so globalisiert, dass wir ohnehin schon immer in der Lage sein mussten, flexibel auf neue Regularien und politische Situationen zu reagieren."

Vassegh hat das Konzept der Masterpiece etwas verändert. Sie soll noch immer eine Art "One Stop Shop", ein Kaufhaus für jene sein, die zum Rennen von Ascot oder zu Beginn des Tennisturniers von Wimbledon einfliegen und sich auf dem Weg dorthin sowohl mit Kunstwerken als auch mit Luxusgütern eindecken wollen. Noch immer gehören Stücke wie ein Ferrari 250 GTO, Baujahr 1963, oder ein Riva-Boot aus den Siebzigerjahren zu den Paradestücken der Messe. Aber der Kunstaspekt steht mittlerweile im Vordergrund. Dass ausgesuchte High-End-Trophäen wie der Ferrari weiterhin auf der Messe ihren Platz haben, kann Vassegh leicht erklären: Sie verstehe sie als Kunstwerke.

Wenn Großbritannien die neue Schweiz wird, dann wäre die Masterpiece die neue Art Basel

Was den möglichen Sonderstatus Großbritanniens als europäisches Land außerhalb der EU angeht, glaubt die Masterpiece-Leiterin, die Schweiz könne als Vorbild für die Zukunft dienen: "Das Land ist nicht in der EU, und dennoch ist die 'Art Basel' eine der erfolgreichsten Kunstmessen der Welt." Sie verweist auch auf die Rekordpreise, die Sotheby's in dieser Woche für zwei Künstler erzielte: Jenny Savilles monumentales Werk "Shift" wurde für 6,5 Millionen Pfund versteigert, Keith Harings "The Last Rainforest" für4,5 Millionen. "Wenn man in dieser unsicheren Situation solche Preise erzielt, ist das ein Beweis, dass der Markt sehr widerstandsfähig ist", finded Vassegh.

Was aber sagen die Händler aus der EU zur Lage nach der Brexit-Entscheidung? Kurz gefasst: sie sind gelassen. Unbelastet von den mentalen Folgen einer monatelangen, wütenden Referendumsdebatte geht zum Beispiel Paolo Antonacci aus Rom davon aus, dass London "immer der Hauptanziehungspunkt für den Kunsthandel sein wird". Seine Galerie ist auf Stadtveduten und antike Karten spezialisiert, und er erwartet bei der Masterpiece ein gutes Geschäft. "Am oberen Ende des Marktes, an dem sich diese Messe hier bewegt, ist es den Kunden doch egal, ob auf einen Preis von mehreren Millionen für ein Kunstwerk noch zehn Prozent Zoll aufgeschlagen werden oder nicht", meint Antonacci.

Der belgische Galerist Jacques Billen vertraut fest darauf, dass "ein Sammler ein Sammler bleibt". Billens Brüsseler Harmakhis-Galerie für altägyptische Kunst stellt erstmals bei der Masterpiece aus, an einem Gemeinschaftsstand mit der Safani-Galerie aus New York. Er glaubt, dass London seinen Status als Zentrum des globalen Kunsthandels unabhängig vom Brexit-Votum nicht verlieren wird.

Wie von einem studierten Archäologen und Historiker nicht anders zu erwarten, betrachtet Billen das Konstrukt der EU in größeren Zusammenhängen: "Das Römische Reich hat auch einen Höhepunkt erreicht", sagt er. "Und dann kam eben der Niedergang."

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Quelle:
SZ vom 02.07.2016
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