Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von Luke Perry:Rebell ohne Grund

Als Dylan McKay in "Beverly Hills, 90210" wurde er in den 90ern zum stillen Idol einer Teenagergeneration. Dass ihn die Rolle bis zu seinem Tod nicht loslassen würde, damit wusste Perry auf seine Weise umzugehen.

Nachruf von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Dieser Blick. Luke Perry präsentiert ihn gleich bei seinem ersten Auftritt in der TV-Serie "Beverly Hills, 90210". Zunächst einmal beschützt die von ihm verkörperte Figur Dylan McKay im Computerlabor einen schüchternen Nerd vor zwei Tyrannen - nicht heroisch, sondern mit Sätzen wie: "Lasst mich eines klarstellen, damit ihr Bescheid wisst: Ich bin heute nicht besonders gut gelaunt - um ehrlich zu sein, bin ich ganz schön feindselig drauf." Er trägt Ohrring und Lederjacke, und dann sitzt er da auf dieser Treppe, allein natürlich, er will ja immer nur seine Ruhe haben. Er starrt verträumt in die Ferne, und natürlich fährt er dann im coolsten Auto der Welt davon, ein Porsche 356 Speedster aus dem Jahr 1959.

Perry verkörpert die Antithese in dieser Hommage ans Teenagersein und natürlich auch an den US-Bundesstaat Kalifornien. Attraktive junge Leute treffen sich jeden Nachmittag am Strand, sie blicken verführerisch über die heruntergezogene Sonnenbrille, braungebrannte Blondinen räkeln sich im Sand und surfen mit ihren Freundinnen im Pazifischen Ozean. Dieser Ort ist eine Utopie, ein Sehnsuchtsort für den präpubertären Pickelträger, der sich vornahm, irgendwann mal dort zu leben. In Kalifornien. In Beverly Hills. Der dann aber eben nicht so sein wollte wie der Kreditkartenwedler Steve, der Möchtegern-Rapper David oder der viel zu nette Brandon. Er wollte sein wie Dylan, diese verletzte Seele, diese Mischung aus Surferboy und James Dean.

Die Serie war ein popkulturelles Phänomen, weltweit, weil sie die Probleme von Teenagern ernst nahm, so wie Teenager ihr eigenes Leben ernst nehmen. Die Produzenten packten derart viel Handlung in die erste Staffel, dass es für acht Serien gereicht hätte - doch natürlich passiert in der Woche eines Teenagers auch so viel, dass es für acht Leben reicht. Die Figuren wurden zu Ikonen, vor allem dieser Dylan McKay, und das ist das Verdienst von Luke Perry, der am Montag in einem Krankenhaus in Burbank nördlich von Los Angeles im Alter von 52 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls verstarb.

Perry stammt aus dem Bundesstaat Ohio, sein Vater war Stahlarbeiter, die Mutter Hausfrau. Nach dem Highschool-Abschluss kam er nach Los Angeles, er arbeitete als Plattenleger, und eigenen Angaben zufolge musste er mehr als 200 erfolglose Castings überstehen, ehe er eine Rolle in einem Werbefilmchen bekam. Es folgten Rollen in einem Musikvideo der Band Twisted Sister und in der Seifenoper "Loving" - und dann übernahm er diese Figur in dieser Serie, die aufgrund mangelnden Interesses der Zuschauer nach wenigen Folgen abgesetzt werden sollte, aufgrund von Wiederholungen in der Sommerpause aber zum Pflichtprogramm für Teenager weltweit wurde.

Es passte zu Perry, dass er mit dem Ruhm sehr locker umging

Viele Schauspieler mögen es nicht, mit dieser einen Figur identifiziert zu werden, mit der sie berühmt geworden sind; sie wollen sich davon lösen, so auch Perry. In der Broadway-Version von "The Rocky Horror Show" spielte er den schüchternen und spießigen Brad Majors, in den Sitcoms "Spin City" und "Will & Grace" jeweils eine homosexuelle Figur und im Film "Das fünfte Element" einen trotteligen Helfer. Zuletzt verkörperte er einen hemdsärmeligen Vater in der Mystery-Serie "Riverdale" und spielte im noch nicht veröffentlichten Quentin-Tarantino-Film "Once Upon a Time in Hollywood" mit.

Es passte zu Perry, dass er mit dem Ruhm und den damit verbundenen Einschränkungen des Erfolgs von "Beverly Hills, 90210" doch sehr locker umging: "Ich weiß, dass ich bis zu meinem Tod mit ihm assoziiert werde - aber das ist schon in Ordnung. Ich habe ihn erschaffen, er gehört zu mir. Die meisten Erfahrungen waren positiv, also werde ich mich jetzt ganz bestimmt nicht darüber beschweren."

Perry war von 1993 bis 2003 mit Rachel Sharp verheiratet, er ist der Vater eines Sohnes und einer Tochter. Am vergangenen Mittwoch erlitt er in seinem Haus in Sherman Oaks einen schweren Schlaganfall, übers Wochenende wurde sein Zustand schlechter - am Montag verstarb er, umgeben von seiner Exfrau, den Kindern, seinen Geschwistern Tom und Amy und seiner Verlobten Wendy Madison Bauer. Luke Perry ist gegangen, was bleiben wird, für immer: dieser Blick.

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