Literatur:Luis Sepúlveda ist tot

Luis Sepulveda; Luis Sepulveda

Luis Sepúlveda, geboren 1949 in Chile, Exilant, 2020 als Opfer der Corona-Epidemie gestorben.

(Foto: Marta Fernandez/dpa)

Er war Bestsellerautor, Weltreisender und politischer Aktivist. Nun ist der Chilene als einer der ersten Infizierten in Spanien am Corona-Virus gestorben.

Nachruf von Ralph Hammerthaler

Als "Der Alte, der Liebesromane las" 1989 in Spanien erschien, verkaufte er sich höchstens 500 mal. Erst auf dem Umweg über die deutsche Übersetzung wurde der Roman zum Welterfolg, erreichte nun auch das Publikum in Spanien und von dort aus Mexiko und ganz Lateinamerika. Der Roman spielt in einer Siedlung am Amazonas und gipfelt im Kampf zwischen Mensch und Natur. Der alte Antonio zieht in den Dschungel, den er, dank seiner Vertrautheit mit der indigenen Bevölkerung, so gut kennt wie kaum jemand.

Der chilenische Autor Luis Sepúlveda, der 1949 in Ovalle geboren wurde, hatte selber sieben Monate lang im Amazonasgebiet mit Indios zusammen gelebt. Diese Zeit, sagte er einmal, habe sein Weltbild geöffnet für die Vielfalt der Kulturen. Vorher sei er nicht mehr als ein "Steinzeitmarxist" gewesen. Als Student hatte Sepúlveda sich den Kommunisten angeschlossen und unterstützte Salvador Allende, zu dessen Leibgarde er zeitweilig gehörte. 1973, nach dem Militärputsch Pinochets, kam er ins Gefängnis, wenig später das zweite Mal, verurteilt zu 28 Jahren Haft, die nach internationalem Protest auf acht Jahre Exil verkürzt wurden.

Über Argentinien, Uruguay und Brasilien gelangte er nach Ecuador, wo er eine Theatergruppe gründete, ging später nach Nicaragua und schloss sich den aufständischen Sandinisten an. Nie hegte er Groll über sein Schicksal, ironisch schwärmte er vom Pinochet-Stipendium, das Exil habe es ihm ermöglicht, die Welt kennenzulernen. Die 1980er Jahre verbrachte er in Hamburg, mit Sympathien für die antifaschistische, aber auch die ökologische Bewegung. Zeitweilig heuerte auf einem Greenpeace-Schiff an. Von 1996 an lebte er im spanischen Gijón. Sepúlveda konnte austeilen: Als junge chilenische Schriftsteller mit neuen Erzählformen experimentierten, attestierte er ihnen "Firlefanz". Umgekehrt musste er auch einstecken, weil nicht jedem seine stilistischen Schwankungen gefielen. Sein französischer Verleger wollte ihn in die Nähe von Roberto Bolaño rücken, sie seien exilierte Chilenen ein und derselben Generation, und bezeichnete beide als Waisenkinder des linken lateinamerikanischen Abenteuers. Noch vor kurzem, in der Dezember-Nummer 2019 der Zeitschrift Le Monde diplomatique wütete Sepúlveda gegen das neoliberale Chile, das es fertiggebracht habe, selbst das Trinkwasser und dann auch noch das Meer zu privatisieren. Und stellte die jüngsten Unruhen in diesen Zusammenhang: "Es gibt keine Rebellion, die gerechter und demokratischer sein könnte als die Rebellion heute in Chile."

Ende Februar dann erwies er sich als der erste Patient in der nordspanischen Region Asturien, der positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Er wurde in eine Klinik gebracht und auf der Intensivstation künstlich beatmet. Im Alter von siebzig Jahren ist Luis Sepúlveda am Donnerstag in Oviedo gestorben.

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