Nachruf Luigi Snozzi:Landschaft zaubern

Luigi Snozzi auf dem Monte Carasso.

Luigi Snozzi (1932-2020), der Architekt des Tessins.

(Foto: Wojciech Kaczura)

Luigi Snozzi ist tot. Der Architekt aus dem Tessin war der Meister einer geschichtsbewussten Baukultur.

Von Gerhard Matzig

Einmal durfte man Luigi Snozzi begegnen. Das war im Tessin, lange her. Als angehender Architekt war man auf einer Reise, die einen zu jenen anonymen, immer wieder gleich und immer wieder anders geschichteten Steinhäusern führte, die dort auf so magische Weise zum Selbstverständnis einer Welt gehören, wie sie zugleich einfacher und vollendeter kaum denkbar ist.

Snozzi, 1932 in Mendrisio geboren und jetzt im Alter von 88 Jahren laut NZZ an den Folgen einer Coronavirus-Infektion gestorben, hat das Tessin geliebt. 1958 eröffnete der an der ETH Zürich Ausgebildete in Locarno sein eigenes Büro. Er wurde zu einem maßgeblichen Lehrer nicht nur der erneuerten "Tessiner Schule". Er wurde auch zu einem der Baumeister, gefestigt in der Baugeschichte, Gegenwart lebend und neugierig in die Zukunft blickend, die in einem berückenden Landschaftszauber Tradition und Moderne des Bauens aussöhnen. Das Tessin ist das Camp David einer sinnlichen und klugen, aktuellen und geschichtsbewussten Baukultur.

Man saß da also in der Pampa mitten im summenden Gehölz irgendwo in der Nähe von Ascona und zeichnete das, was man sieht, um es zu begreifen. Stein um Stein. Und noch ein Stein. Man seufzte und langweilte sich. Und noch ein Stein. Das erzählte man später Snozzi. Der sagte: "Wenn Sie nicht begreifen, wie besonders ein Stein ist, wie besonders auch das Einfachste ist, dann ..." Gnädig hat man vergessen, wie der Satz weiterging. Hoffentlich charmant. Doch wird man sich immer dankbar daran erinnern, dass man Snozzi eine fundamentale Einsicht verdankt.

Stets geht es in der Kunst, die Welt zu gestalten, um die Kraft, die das Einfache (nicht das Banale) zu etwas Besonderem werden lässt. Generationen von Architekten wurden von Luigi Snozzi auf diese Weise geprägt. "Architektur", sagte er, "muss man nicht erfinden, man muss sie nur wiederfinden." Davon künden seine grandiosen, immer modernen, nie modernistischen Bauten. Sie bleiben.

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