Louvres neues Kunstdepot:Gebäude aus Landschaft

Centre de conservation du Louvre, Foto: Architects Rogers Stirk Harbour + Partners; Joas Souza Photographe

Das britische Architekturbüro Rogers Stirk Harbour + Partners hat das 60 Millionen teure Kunstdepot des Louvres entworfen.

(Foto: Architects Rogers Stirk Harbour + Partners; Joas Souza Photographe)

200 Kilometer entfernt von Paris bezieht der Louvre sein neues Sammlungslager in Nordfrankreich. Es soll 250000 Kunstwerke aufnehmen.

Von Joseph Hanimann

Es ist ein Nebengestirn zu der vor sieben Jahren eingeweihten Louvre-Dependance in der nordfranzösischen Stadt Lens. Nur ein Steinwurf von jenem eleganten Museumsbau des japanischen Architektenkollektivs SANAA entfernt ist nun das neue Zentrallager für den Pariser Louvre eingeweiht worden. Entworfen wurde es vom britischen Architekturbüro Rogers Stirk Harbour + Partners. Ein "Gebäude aus Landschaft" nennen es die Architekten. Es besteht aus einer schiefen Ebene mit begrüntem Dach, die auf 18 500 Quadratmetern aus dem Erdboden von Liévin, der Nachbarstadt von Lens, emporwächst. Die Hälfte dieses neuen "Centre de conservation" bietet Lagerraum für die Kunstschätze. Funktional ist der Bau gut durchdacht. Alles ist ebenerdig, Aufzüge sind unnötig. Hinter der hohen Glasfassade am einen Ende liegen die Arbeitsräume für Konservatoren und Forscher. Von dort führt eine breite Innenstraße zu den Lagerräumen mit abnehmender Höhe.

250 000 Werke sollen in den nächsten Monaten aus Paris dorthin verfrachtet werden. Die Situation im Louvre wurde unhaltbar. In über 60 Lagerräumen des am Seine-Ufer gelegenen ehemaligen Königspalasts stapelten sich bisher die nicht ausgestellten Werke, das heißt 95 Prozent der 620 000 Objekte umfassenden Museumssammlung. Die meisten dieser Räume sind überschwemmungsbedroht. Während einer Hochwasserflut vor drei Jahren musste ein Teil der Werke in einer Nacht-und-Nebelaktion in höhere Etagen umgelagert werden. Dieser Vorfall hat das seit Langem geplante Projekt eines neuen Zentrallagers unweit des Louvre-Lens beschleunigt. Nur die grafische Sammlung bleibt in Paris. 60 Millionen Euro hat der Neubau gekostet. Der Louvre bestreitet davon gut die Hälfte und schöpft aus den Einkünften seiner Museumsfiliale in Abu Dhabi.

Warum jedoch so ein Lager 200 Kilometer entfernt von Paris, fragten manche Kritiker. Das lange Hin- und Herfahren sei für das Personal ein Zeit- und für das Museum ein Kostenverschleiß. Diese Lösung hat indessen ihre innere Logik. Die Baufläche im Pariser Großraum wird knapp und die Vorstädte sind wenig interessiert an einem abgeriegelten Kunstbunker, der für die Ortsbevölkerung nichts bringt. In Lens ist der Louvre durch seine Außenstelle schon präsent und er hat dort im Untergeschoß des Museums von Anfang an auch einen für die Besucher zugänglichen Lagerbereich eingerichtet.

Dieses Modell eines "visible storage", das in den Vitrinen des New Yorker MoMAs seit 30 Jahren praktiziert wird, hat sich in den Museen mittlerweile stark verbreitet. Der Blick hinter die Kulissen gehört heute mit zum Programm. Der 2006 eingeweihte Jean-Nouvel-Bau des Pariser Museums Quai Branly zeigt in einem 27 Meter hohen Glasturm seine 10 000 Instrumente umfassende Musiksammlung. In der nordfranzösischen Industriestadt Lens ein Museum mit Schaulager und in Liévin gleich daneben das nur für Fachleute zugängliche Hauptlager zu haben, ist also kohärent. Dass dieser Neubau nicht einfach ein funktionaler Kasten ist, sondern ein Objekt mit eigener ästhetischer Ambition, grenzt schon an Luxus.

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