Eröffnung:Der Louvre Abu Dhabi wäscht die Kunst rein

Keine Lust, keine Nöte, keine Gewalt: Der unehrliche Kunstbegriff passt gut zu diesem sagenhaft schönen und moralisch fragwürdigen Gebäude.

Von Laura Weißmüller, Abu Dhabi

Was für eine unverschämte Schönheit! Wie sich die Lichtreflexionen des Wassers auf den weißen Boxen brechen und wie Vögel über den Beton tanzen. Wie die türkisblauen Wellen des Meeres an die Museumsmauern branden, als wollten sie einen Graben ziehen zwischen der Welt, wie sie ist, und der blütenreinen Ästhetik auf der anderen Seite. Und wie sich über die unterschiedlich großen Würfel - 55 sind es insgesamt - eine gigantische Stahlkuppel wölbt, durch deren netzartige Struktur die Sonne schießt, als wäre das einzig und allein ihre Aufgabe. Wer darunter steht und in diesen künstlichen Himmel aus lauter Sternen blickt, kann nur staunen, so sinnlich und futuristisch zugleich präsentiert sich hier die Architektur.

Keine Frage, für die nächste James Bond Location ist der neue Louvre Abu Dhabi, der am heutigen Samstag eröffnet hat, eine allererste Adresse. Handy-Besitzer werden zu Selfie-Maniacs. Und wer nicht aufpasst, der verliert schnell den Blick fürs große Bild. Denn das Museum, das erste dieser Art in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) mit dem Anspruch eines Weltmuseums, ist eben vor allem auch ein gebautes moralisches Fragezeichen.

Das war es von Anfang an, als 2006 Abu Dhabi die Welt mit der Absicht überraschte, es wolle auf der künstlichen Insel Saadiyat ein gigantisches Kulturareal errichten. Der Louvre "verkauft seine Seele", hieß es, als Frankreich dem Emirat für eine Milliarde Euro gestattete, den Namen Louvre 30 Jahre lang zu führen und Leihgaben aus 13 französischen Museen zu zeigen. Und: Dies sei ein "Todesurteil für das öffentliche Museum". Nicht nur der Louvre sollte auf der neuen Insel am Golf eine Dependance eröffnen, auch das New Yorker Guggenheim, das British Museum aus London und die New York University (NYU). Dazu sollte es ein Meeresmuseum geben und ein Performing Art Center. Gebaut von den bekanntesten Architekten der Welt, Jean Nouvel, Norman Foster, Zaha Hadid und Tadao Ando, ein Kulturkondensat vom Feinsten.

Realisiert wurden von all diesen ambitionierten Plänen bislang nur die New York University, die seit 2010 ihre Studenten unterrichtet, und der Ableger des Louvre. Für beide gilt: In Abu Dhabi zu bauen, bedeutet ein moralisches Dilemma, aus dem keiner heil wieder rauskommt. Der Architekt nicht, die Institution nicht und auch nicht die Kunst, wie der Louvre nun zeigt.

"See humanity in a different light", "Sieh die Menschheit in einem anderen Licht" ist das Versprechen, das aktuell die ganze Wüstenstadt umspannt, um Werbung für den neuen Louvre zu machen. Schon am Flughafen trompeten Schilder dem Gast den weihevollen Slogan entgegen. Hochhäuser, Shoppingmalls, kaum eine öffentliche Werbeplattform, die sich nicht damit schmückt. Sowieso sind die Emirati gut mit so was: "One nation, one brand", eine Nation, eine Marke, steht an dem Sitz der National Oil Company. Die nationale Ölfirma pumpt das Geld in diesen märchenhaft reichen Zwergstaat, der vor allem ein Ziel propagiert: sich langfristig vom Öl zu befreien. Deswegen die Museen und die Hoffnung, sich als Touristendestination nach ganz oben zu spielen.

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