Der Eames Chair wird 65:Einer ist eine Insel

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Der Eames Lounge Chair. Plus Bücher, Zeitungen, Drink - fertig ist das Paradies.

(Foto: imago images/imago images)

Entworfen wurde der Eames Lounge Chair für Billy Wilders Schläfchen. Danach wurde er zum berühmtesten Sitzmöbel der Designgeschichte. Eine Gratulation zum 65. Geburtstag.

Von Gerhard Matzig

Niemand ist eine Insel. Heißt es. Im Sprichwort und im Film gleichen Namens. Und egal, ob diese johannesmariosimmelhafte Behauptung für pandemisch mittlerweile recht inselhaft lebende Menschen zutrifft oder nicht: Der Lounge Chair von Charles und Ray Eames, der am 14. März vor 65 Jahren der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ist auf jeden Fall eine Insel. Eine, auf die man sich retten kann wie ein Schiffbrüchiger, der schluchzend vor Erschöpfung und Dankbarkeit in den Sand sinkt. Wenn nicht ins belederte Polster in der Schichtholzschale, ruhend auf einem filigranen Aluminiumgestell, wohin dann?

Froh ist man, dem ungeheuren Draußen im großen Meer des Verdrusses entronnen zu sein. Der Lounge Chair ist nicht nur das denkbar eleganteste Emblem der bergenden, zum Überlebensraum werdenden Drinnen-Welt. Er ist auch das zeichenhafte Versprechen einer besseren Welt. Wo man nichts sonst zum Glücklichsein braucht. Außer ein paar Plaids, die auf dem Ottoman (Fußhocker) platziert werden. Dazu kann man geradezu alpin aufragende Bücherberge rund um den Sessel zu einer Mauer der Sehnsucht formen. Jetzt noch ein guter Drink in Griffweite: Wer das nicht Paradies nennt, saß noch nie lesend, trinkend und schlafend im Eames.

Ein Sessel, der so viel kostet wie ein Fiat Panda, aber dafür keine Räder hat

Das Paradies hat einen tendenziell irren Preis. Bei Vitra kosten Chair und Ottoman das, was ein fast neuer Fiat Panda kostet. Wobei der Lounge Chair keine Räder hat. Das aber ist ein Extra, das man sich im Zeitalter des Dauerunterwegsseins gerne was kosten lässt. Wobei man auch - oder deshalb - darin schlafen kann. Ray und ihr Mann Charles Eames waren eng mit Billy Wilder befreundet, dem großen Freund des Nickerchens. Ihm, der Muse, ist die Entwicklung des Lounge Chairs, den sich das Ehepaar als "zeitgemäße Version des alten englischen Clubsessels" vorstellte, letztlich zu verdanken.

Der Lounge Chair ist sagenhaft bequem. Trotz seiner Zeitgenossenschaft. Das ist sein Geheimnis: Er ist ein altmodischer Ohrensessel im Kleid der Moderne. Unbedingt moderne Sitzmöbel, wie beispielsweise der "Red And Blue Chair" von Gerrit Rietveld, sind oft so bequem, als hätten sich Fakire oder Pfahlsitzer das Ganze ausgedacht. Andererseits sind bequeme altmodische Möbel eben bequeme altmodische Möbel. Wer aber den ganzen Drive, die Euphorie und Zukunftslust der Moderne in sein Zuhause stellt, um den ganzen Drive, die Euphorie und Zukunftslust der Moderne bequem zu verschlafen in wahrer Souveränität desjenigen, den das alles nichts angeht, der ist richtig im Lounge Chair. Im Möbel, das eine Insel und sowieso das Möbel der Stunde ist.

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