"Lola gegen den Rest der Welt" im Kino:Eine Schlampe, aber kein schlechter Mensch

Themendienst Kino: Lola gegen den Rest der Welt

Greta Gerwig als Lola in der Komödie "Lola gegen den Rest der Welt".

(Foto: dapd)

Gerade vom Verlobten verlassen, begibt sich Lola nach New York. Sie will sich in Manhattan, der Stadt voller Künstler, Intellektueller, Coffee-Shops und bizarrer Zeitgenossen, selbstfinden. Etwas Mundspray-Marihuana soll ihr dabei helfen.

Von Rainer Gansera

Üblicherweise sind Frauen mit L-Namen wie Lolita, Lilith, Lulu, Loreley und eben Lola verhängnisvolle, männermordende Wesen, Femmes fatales wie sie im Buche stehen. Diese Lola aber gehört eher ins gegenteilige Lager: sie ist bemitleidenswertes Opfer. Kurz nach der Anprobe ihres Brautkleids muss sie erleben, dass ihr Lebensabschnittspartner Luke (Joel Kinnaman) die Hochzeit absagt und sich aus dem Staub macht.

Eine Sitzengelassene, 29, die gerade an ihrer Doktorarbeit über "Das Schweigen und die Stille in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts" bastelt. Der Zauber, der von dieser Lola ausgeht, ist anderer Art, er spielt nicht mit dem Bann der Verführung, sondern mit mädchenhafter Komplizenschaft und einer somnambulen Weltentrücktheit. Er verdankt sich einer zauberhaften Aktrice: Greta Gerwig.

Jeder gute Film ist das Porträt seiner Hauptdarstellerin. Vor einigen Jahren war Greta Gerwig Galionsfigur und Muse der Independent-Szene Bostons, "It-Girl der Generation Y". Dann erhielt sie kleinere Parts in Mainstream-Produktionen, auch einen Auftritt in Woody Allens "To Rome with Love". Nun hat die 1983 in Sacramento, Texas, Geborene ihre erste große Titelrolle, in einem Film, der Indie-Charme mit Komödienstandards verknüpft.

Regisseur Daryl Wein, erfahren in der Verarbeitung von Trennungsschmerz-Szenarien ("Breaking Upwards", 2009), beschwört ein Stadtneurotiker-Manhattan mit Künstlern, Intellektuellen, Coffee-Shops und ausgesucht bizarren Zeitgenossen. Die Pfade, auf die er Lola schickt, sind bekannt und erhalten erst durch Gerwigs Charme ihre Glanzlichter. Sie führen vom Absturz ins Dunkel der Verlorenheit bis zum Morgengrauen einer neu reifenden Selbstfindung. Party-Exzesse, Alkohol- und Fressanfall-Delirien. Trostsuche bei netten Hippie-Eltern (Debra Winger, Bill Pullman), Sich-Ausweinen an den Schultern von bester Freundin Alice (Zoe Lister-Jones) und bestem Freund Henry (Hamish Linklater).

Man muss sie lieben

Gern hilft ihr Alice mit einer Dosis Mundspray-Marihuana auf, oder mit Weisheiten wie: "Männer suchen immer nach jemand 'Besserem', Frauen einfach nach dem, mit dem es funktioniert!" Taumel, Chaos, diverse One-Night-Stands und der Versuch, aus der platonischen Liebe zu Henry eine veritable Affäre zu machen. Mit ihrem blond gelockten Haar und ihrer rehäugigen Unschuldsmiene sieht Lola wie ein Engel aus: "Dass ich eine Schlampe bin, heißt noch lange nicht, dass ich auch ein schlechter Mensch bin!"

Greta Gerwig lässt uns keine Wahl, wir müssen ihrer Lola alle Sympathien schenken - weil sie ihr eine schwebende Distanziertheit verleiht, die jedes Drama, das ihr widerfährt, in Anführungszeichen setzt. Die Welt wird zum Panoptikum. Manchmal scheint es, als würde Lola ihre Schönheit und Intelligenz absichtlich hinter einer Fassade aus Tollpatschigkeit und Verwirrung verbergen. Es ist ähnlich wie in Jan Ole Gersters "Oh Boy": nicht durch satirische Attacken wird die Welt lächerlich gemacht, sondern durch eine existenzielle Detachiertheit ins Verwunderliche gerückt. Lola, ein Aschenputtel, das sich keinesfalls als Prinzessin offenbaren will. Deshalb muss man sie lieben.

Lola Versus, USA 2012 - Regie: Daryl Wein. Buch: Zoe Lister-Jones, Daryl Wein. Kamera: Jakob Ihre. Musik: Fall On Your Sword. Mit: Greta Gerwig, Joel Kinnaman, Zoe Lister-Jones, Hamish Linklater, Bill Pullman, Debra Winger. Fox, 87 Minuten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: