Little Britain:Pseudonyme der Würde

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Ein britischer Fernsehkoch trägt den Spitznamen "Fearlessly-Eatsitall", weil er in seiner Sendung wirklich alles isst, gerne auch mal überfahrene Tiere. Doch die Briten tragen auch solche Spitznamen mit großer Würde und Selbstverständlichkeit. Denn ihre Namen sind ihnen ganz allgemein heilig.

Christian Zaschke

Indirekt war es die SPD, die dafür sorgte, dass ich jetzt in Großbritannien sitze und mich an der Schönheit englischer Namen erfreue. Zum Beispiel ist es mir unmöglich, auch nur eine Sendung des Fernsehkochs Hugh Fearnley-Whittingstall zu verpassen. Weil er in seinen Sendungen wirklich alles isst (u.a. überfahrene Tiere), trägt er den Spitznamen Hugh Fearlessly-Eatsitall.

Royale Hochzeiten sind die Keimzelle langer Namen. Nirgendwo sonst bekommt man schneller Doppel-, Trippel- oder Quadrupelnamen angehängt. (Foto: REUTERS)

Engländer tragen solche Nach- und Spitznamen mit großer Selbstverständlichkeit und großer Würde. Dass die ehemalige Nanny von William Mountbatten-Windsor tatsächlich Tiggy Legge-Bourke heißt, gilt hier als normal. Und wenn der Morgen in London nicht nur kühlgrau, sondern auch einsam ist, weil die Redaktion in München grad was Besseres zu tun hat, stärkt ein kurzer Blick auf die Gästeliste der Hochzeit des Prinzen William die Moral: Natalie Hicks-Lobbecke, Annabel Glynne-Percy, Drummond Money-Coutts, Edward Innes-Ker. Tiggy Legge-Bourke hat übrigens eine Schwester namens Zara, welche Captain Richard Grosvenor Plunkett-Ernle-Erle-Drax heiratete, sich allerdings nach gerade mal zwölf Jahren Ehe wieder scheiden ließ. Das war 1997, ein Jahr bevor Gerhard Schröder doch noch Kanzler wurde. Das wiederum hatte vier Jahre zuvor niemand erwarten können.

Damals gab es in der SPD eine Abstimmung darüber, wer als Nachfolger von Björn Engholm Parteivorsitzender werden sollte. Zwar las Engholm gern Bücher von Janwillem van de Wetering, was ihn für höhere Aufgaben prädestinierte, doch er hatte, verknappt gesagt, ein, zwei Sachen nicht ganz sauber auf die Reihe bekommen.

Die Entscheidung musste zwischen Schröder, Rudolf Scharping und Heidemarie Wieczorek-Zeul fallen. Bemerkenswert ist, dass sich die Zeile "Schröder, Scharping oder Wieczorek-Zeul" wirklich ganz genau auf die Melodie von "Knocking on Heaven's Door" singen lässt, was in unserer WG politisch-musikalischer Amateure dann auch geschah, weil der Hausgitarrist, mein Kumpel Lehmann, die Akkorde konnte. Die SPD war damals eine recht lustige und ziemlich durchgeknallte Truppe, die für einen guten Witz auch mal eine Bundestagswahl sausen ließ. Also wählte sie Scharping.

Die WG wandte sich daraufhin vor Schreck ganz der Literatur zu. Der Haus-Anglist, mein Kumpel Lehmann, las zur inneren Erbauung Bücher von P.G. Wodehouse, und einmal stieß er dort auf einen Namen, den er gern mit uns teilte: Hildebrand Spencer Poynt de Burgh John Hannasyde Coombe-Crombie, zwölfter Earl von Dreever. Genannt: Spennie. Ergriffen von so viel Schönheit, beschloss die WG, demnächst geschlossen nach Großbritannien auszuwandern.

© SZ vom 05.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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