Little Britain:Fünf schwarze Punkte

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Afrikanische Ameisen sind laut wunderlicher Reiseberichte zu gar unglaublichen Leistungen fähig. Sie bewegen sich in einer meterbreiten Straße voran, rasend schnell und fressen dabei alles was ihnen in den Weg kommt - angeblich sogar Elefanten.

Christian Zaschke, London

Ich entdeckte die Ameisen, als ich von einem Kurzbesuch in München zurückkam. Es waren fünf, sie spazierten über den Rand der Badewanne und nahmen keine Notiz von mir oder der röhrenden Lüftung. Kleine schwarze Punkte auf weißem Grund, die sich scheinbar ziellos umherbewegten. Ich kann mit den undichten Fenstern leben und dem lächerlich schlecht verlegten Boden. Es macht mir nichts aus, unter sanftem Getröpfele zu duschen, das manchmal immerhin warm ist. Ich habe mich an die irrwitzigen Preise gewöhnt und an U-Bahnen, die wochenends nach dem Zufallsprinzip nicht fahren. Ich habe mich sogar damit arrangiert, dass Radfahrer in London als gemeingefährliche Trottel gelten, die von der Straße zu drängen sind. Aber die Ameisen waren zu viel. Ich will meine Wohnung nicht mit Ameisen teilen. Mit einem Feuerzeug und einer Dose Deo (Dove Men+Care) improvisierte ich einen Flammenwerfer.

Ein totsicheres Mittel gegen Ameisen sind Flammenwerfer, zumindest wird das behauptet. (Foto: dpa)

Mein Mitbewohner aus Studientagen, ein gewisser Lehmann, pflegte neben einer Vorliebe für die akustische Gitarre und englische Literatur eine enge Bindung zu Afrika. Wenn er von seinen Reisen zurückkehrte, erzählte er oft wunderliche Geschichten. Die meisten habe ich vergessen, aber die von den Ameisen hat sich unauslöschlich in mein Gedächtnis geprägt.

Lehmann erzählte, dass die Ameisen sich in einer meterbreiten Straße vorwärtsbewegen, rasend schnell, und dass sie alles fressen, was ihnen in den Weg kommt. Gerät ein Elefant in eine solche Ameisenstraße, erzählte Lehmann, bleibt von dem Elefanten nichts übrig. "Nicht mal die Knochen?", fragte ich leise. "Doch", raunte Lehmann, "aber nur die Knochen." "Was kann man denn tun gegen diese Ameisen?", fragte ich. "Feuer", sagte Lehmann, "da hilft nur Feuer." Mag sein, dass an der Geschichte nichts dran ist, aber sie hat mein Verhältnis zu Ameisen radikalisiert.

Nachdem ich meinen improvisierten Flammenwerfer fachgerecht angewandt hatte, waren auf dem Rand der Badewanne fünf schwarze Punkte zu sehen, die sich nicht mehr bewegten. Ich sammelte sie mit einem Taschentuch ein und bereitete ihnen ein nasses Grab im Klo, dessen Spülung nach drei- bis viermaligem Pumpen recht gut funktioniert.

Seither unternehme ich regelmäßige Patrouillengänge ins Bad und schaue, ob sich weitere Ameisen zeigen. Bisher ist alles ruhig, aber ich habe das Gefühl, dass die fünf nur die Vorhut einer gewaltigen Straße waren, die nach neuen Wegen sucht.

Wenn die Ameisen-Bosse einen Funken Verstand in ihren winzigen Hirnen haben, werden sie die richtigen Schlüsse daraus ziehen, dass ihre Abordnung nicht mehr zurückkam. Der sich seit Tagen haltende Geruch nach verbranntem Deo sollte ein Übriges tun.

© SZ vom 28.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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