Süddeutsche Zeitung

Literaturpreis:Offline lesen, online schreiben

Erstmals begleiten ausgewählte Literaturblogger den Bayerischen Buchpreis, der an diesem Dienstag vergeben wird

Von Bernhard Blöchl

Etwas seltsam ist das schon. Da soll hier, also auf gedrucktem Papier, die Rede sein von Menschen, die im Internet Gedanken über Bücher publizieren, die ja ebenfalls Druckwerke sind, zumindest in ihrer ursprünglichen Form. Weil aber auch der Buchmarkt in ebendiesem Dilemma steckt, also nicht so recht weiß, wer noch offline, wer online und wer überhaupt noch liest, passt das schon zusammen. Irgendwie.

Und darum geht es: Der Landesverband Bayern im Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat sich in diesem Jahr erstmals dazu entschlossen, drei Blogger auszuwählen, die den Bayerischen Buchpreis im Netz begleiten - von der Bekanntgabe der Shortlist bis zur Siegerehrung an diesem Dienstag in der Allerheiligen-Hofkirche. Das Ziel ist klar: Der Preis, der 2014 zum ersten Mal vergeben wurde und an die Geschichte der Auszeichnung "Corine" anknüpft, soll bekannter werden. "Offline sind wir gut aufgestellt", sagt Klaus Beckschulte, der Geschäftsführer des Landesverbands. Aber man wolle noch mehr "in die Breite" gehen. "Eine niveauvolle und unterhaltsame Auseinandersetzung" als "Werbung für das Buch und die Inhalte" verspricht sich Beckschulte von dem Plan, sogenannte Influencer einzubinden. Zum Vergleich: Beim Deutschen Buchpreis gehört das seit 2013 zum Programm.

Neben Qualität und Unabhängigkeit müssen die Blogger weitere Kriterien erfüllen: nämlich in Bayern leben und sich sowohl mit Belletristik als auch mit Sachbüchern kritisch auseinandersetzen. Denn der Preis wird in ebendiesen Sparten vergeben. Ausgewählt wurden schließlich zwei Augsburger und eine Münchnerin. Sie alle schreiben seit mehreren Jahren über Literatur, ohne Profit, in ihrer Freizeit. Birgit Böllinger von saetzeundschaetze.com ist Pressesprecherin beim Bezirk Schwaben. Sie lebt ebenso in Augsburg wie der Bibliothekar Marius Müller von buch-haltung.com. Katharina Herrmann verdient ihr Geld als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der LMU München, nebenbei bloggt sie mit Freunden auf 54books.de.

Wer sich ein bisschen mit Blogs auskennt, der weiß: Publizieren kann heute jeder, Blogs sind öffentliche Notizbücher, mal Schrott, mal Fundgrube. So gibt es unter den hunderten Literatur-Bloggern, die längst auf dem Radar der Verlage sind, meinungsstarke Autoren und gescheite Vielleser, und für alle, die sich für die nominierten Buchpreistitel interessieren, ist die virtuelle Auseinandersetzung der drei durchaus eine Bereicherung. Das bayerische Blogger-Team hat sich abgesprochen, nicht jeder schreibt über alles, dafür ist die Zeit zu knapp. Es ist schön zu lesen, wie wort- und zitatreich und immer ein bisschen verspielt sich beispielsweise Birgit Böllinger für Petra Morsbachs Roman "Justizpalast" ins Zeug legt, wie hymnisch Marius Müller gegensteuert und Franzobels "Das Floß der Medusa" favorisiert, und wie ausführlich und analytisch Katharina Herrmann wiederum Morsbach hochschreibt. Kritik gibt es freilich auch. Beispielsweise spricht Böllinger Klaus Cäsar Zehrers Roman "Das Genie" ebenjenen Genie-Faktor ab, und Herrmann findet "Die Gesellschaft der Singularitäten", eines der drei Sachbücher, "leider stellenweise sehr banal".

Den Bloggern ist bewusst, dass sie gewissermaßen als honorarfreies Marketing-Instrument eingespannt werden - aber eben für die gute Sache. Für das Buch. Also konkret für die Shortlist-Titel, zu denen noch Jürgen Goldsteins "Blau" und Gerd Koenens "Die Farbe Rot - Ursprünge und Geschichte des Kommunismus" zählen. Birgit Böllinger, die schon für den Deutschen Buchpreis bloggte und Prestige-Punkte sammelte, schätzt vor allem den Austausch untereinander. "Es ist reizvoll, in der Gruppe zu diskutieren", sagt sie. Eine signifikante Steigerung bei den Klickzahlen habe sie nicht festgestellt. Gleichwohl hat sie einen der dynamischeren Blogs, bei ihr wird viel diskutiert und werden Inhalte geteilt. Ihre Seite wurde seit 2013 mehr als 534 000 Mal angeklickt, 8400 Menschen haben ihren Newsletter abonniert.

Als erfahrene Bloggerin und gelernte Journalistin wünscht sie sich, noch mehr eingebunden zu werden in Öffentlichkeitsarbeit und Umfeld des Preises, zum Beispiel auf den Websites der Medienpartner. Wie etwa beim BR: Auf der Facebook-Seite von "Capriccio" wird es von 19.30 Uhr an einen Livestream geben. Da kann dann jedermann der Jury beim Diskutieren zuschauen. Und beobachten, wie die Sieger ihre Porzellanlöwen in Empfang nehmen. Ob die Blogger nun einverstanden sind oder nicht - was sie ihrem Publikum auf Twitter unter dem Hashtag #baybuch gewiss mitteilen werden.

Bayerischer Buchpreis, Verleihung am Di., 7. Nov., 19.30 Uhr, Allerheiligen-Hofkirche, Livestream: facebook.com/br.capriccio; Blogger: buch-haltung.com, 54books.de, saetzeundschaetze.com

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3737256
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.11.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.