Literaturfest:Rätselhafter Abenteurer

Denis Scheck und Martin Walser über den Autor Jack London

Von Stefan Sommer

Was könnte - aus allen möglichen Varianten, als Intellektueller von Welt seine Freizeit zu verbringen - genau das Hobby sein, das die beiden Groß-Literaten Jack London und Martin Walser gemeinsam haben? Schach? Händel-Oratorien? Kreuzworträtsel? Der Literaturkritiker und Fernsehmoderator Denis Scheck hat in den verbarrikadierten hintersten Hinterhöfen ihrer Biografien eine andere Parallele zwischen den beiden ausfindig gemacht: das Surfen. Der amerikanische Abenteuer-Schriftsteller und der mittlerweile 89 Jahre alte deutsche Staatsdichter waren und sind Wellenreiter, ja Surferboys. Der eine tat es vor mehr als 100 Jahren vor der Küste von San Francisco, der andere als junger Mann in der schäumenden Brandung des Bodensees. Zum 100. Todestag des Schöpfers von Romanen wie "Ruf der Wildnis" und "Der Seewolf", der am 22. November 1916 verstorben war, lasen Denis Scheck und Martin Walser bei der 57. Bücherschau im Gasteig aus dessen Schlüsselwerken, die pünktlich in diesen Wochen als Neuübersetzungen erscheinen.

Für Walser ist Jack London "nur mit Mozart vergleichbar - ein reiner Autor". Das Leben und Schreiben dieses Mannes habe ihn schon früh fasziniert. Prosa-Erzählungen wie die zu einem Klassiker der Moderne avancierte Innensicht-Parabel des Hundes Buck in "Ruf der Wildnis" seien für ihn schon immer mit "das Genialste überhaupt gewesen". In Walsers Briefroman "Das dreizehnte Kapitel" von 2012 erweist er London explizit die Ehre, indem er seine Figuren durch die amerikanische Einöde radeln und sie dabei selbst den Text Londons entdecken und durchleben lässt.

Mit Auszügen aus den Werken und skurrilen Anekdoten gelingt es Scheck und Walser, den rätselhaften Schriftsteller Jack London, dessen Vita auch heute noch Geheimnisse birgt, mit Konturen und Kanten greifbar zu machen. So entsteht das Bild eines Mannes, dem die Ereignisse zu Sprache wurden. Er arbeitete als Zeitungsjunge, Kohlenschipper, Austernpirat, Mitglied der California Fish Patrol, Seemann und Goldsucher. Er versuchte in Oakland Bürgermeister zu werden, lebte in der Südsee und war Mitglied der sozialistischen Partei - Erfahrungen, die sich noch 100 Jahre später in seinen Büchern finden lassen. Ob er heute als Reise-Blogger einen eigenen Youtube- oder Instagram-Kanal führen würde?

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