Literaturfest:Lebenszeichen aus dem engsten Kreis

Literaturfest: Von Peter Handke auf die Bühne gerufen wurde Jens Stupin (links), im Alltag Frauenarzt an der Charité Berlin, um vom Volk der Sorben zu erzählen.

Von Peter Handke auf die Bühne gerufen wurde Jens Stupin (links), im Alltag Frauenarzt an der Charité Berlin, um vom Volk der Sorben zu erzählen.

(Foto: Wolf Heider-Sawall)

In der Bayerischen Akademie der Schönen Künste erinnern Präsident Michael Krüger und Peter Handke an Petrarca-Preisträger

Von Sabine Reithmaier

"Ist Jens Stupin im Saal?" Peter Handke, der eben die Bühne betreten hatte, sah sich suchend um. Im hinteren Teil des Saals erhob sich ein Mann und eilte, auf einen Wink des Dichters hin, zu ihm auf das Podium in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Wer würde es auch wagen, sich einem Wunsch Handkes zu widersetzen? Der Mann sei ein Sorbe und ein Leser, erläuterte der Schriftsteller dem Publikum. Und deshalb berufener als er selbst, über den kleinen slawischen Volksstamm und dessen Dichter zu berichten. Der freundliche Stupin, im Alltag Frauenarzt an der Charité Berlin, zögerte nur kurz und erzählte dann, gelegentlich von sanften Ergänzungen Handkes unterbrochen, von jenem Volk, das überwiegend an der Lausitz im Osten Deutschlands siedelt und bis heute seine eigene Sprache spricht. Sprach vom Dichter Kito Lorenc, den er im Vorjahr vier Wochen vor dessen Tod noch besucht hatte und dessen grandiose Gedichte Handke schließlich vorlas.

Kito Lorenc war 2012 mit dem Petrarca-Preis ausgezeichnet worden, ein von Hubert Burda gestifteter internationaler Literaturpreis, vergeben von 1975 bis 1999, dann noch einmal von 2010 bis 2014 an 30 zeitgenössische Dichter - darunter immerhin zwei Dichterinnen - sowie eine Weile lang auch an Übersetzer. Eigentlich habe man die Auszeichnung nur fünf Mal vergeben wollen und nur an Orten, die für den Poeten Francesco Petrarca bedeutsam gewesen waren, erinnerte sich Michael Krüger, Präsident der Akademie, und, wie Handke, Jury-Mitglied von Anfang an. Doch es wurden sehr viel mehr Jahre, auch viel mehr Preise. Angesichts der zahlreichen inzwischen verstorbenen Preisträger empfand es Krüger fast als ein Wunder, dass der "engste Kreis" - neben ihm Burda, Handke, Peter Hamm und Alfred Kolleritsch - noch lebt. Im Vergleich dazu hat das Petrarca-Sommerfest, mit dem Krüger und seine Mitstreiter die Erinnerung an den Preis wachhalten wollen, nur eine kurze Tradition: Es fand am vergangenen Wochenende erst zum zweiten Mal statt.

Einen anderen ehemaligen Preisträger stellte Peter Hamm vor. Den ersten Gedichtband des tschechischen Dichters Jan Skácel (1922-1989) hatte er sich 1967 in Prag gekauft. "Ich konnte sie nicht lesen, aber irgendetwas trieb mich dazu", erinnerte er sich. Im selben Jahr erschienen die ersten Gedichte in der "märchenhaft glücklichen" (Handke) Übersetzung Reiner Kunzes. Jan Skácel selbst habe nur wenige glückliche Zeiten erlebt, fand Hamm, der gerade eine Ausgabe mit Lyrik und Prosa des Autors vorbereitet. 1969 wurde seine Werke mit einem Druckverbot belegt, das zwölf Jahre währte. Klagen hielt er für überflüssig, trotzte der dunklen Zeit seine Gedichte ab, ein tapferer Mensch, aber auch ein wahrer Dichter.

Den dritten ehemaligen Preisträger, Philippe Jaccottet, den seit Jahrzehnten in Frankreich lebenden Schweizer, stellten Elisabeth Edl und Wolfgang Matz vor, die den französisch dichtenden Autor seit 20 Jahren übersetzen, zuletzt "Gedanken unter den Wolken", im Original bereits 1983 erschienen. Trotz ihrer sensiblen zweisprachigen Lesung hatten sie ein wenig das Pech, dass das Publikum im sommerheißen Saal inzwischen leicht ermüdet war und sich nach zwei Stunden des Mitdenkens und Mitempfindens nach einem Ende sehnte. Um dann am Buffet darüber zu plaudern, wie gelungen doch dieser Abend gewesen war.

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