Das Thema ist auf jeden Fall aktuell. In ihrem neuen Roman "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks" (Beck Verlag), den Sabine Gruber jetzt auf dem Literaturfest vorstellte, beschreibt sie das Leben eines alternden Kriegsfotografen. Das Gesehene hat sich in sein Gedächtnis eingebrannt, verfolgt ihn in seine Träume, wird nur erträglich, wenn er sich mit Alkohol betäubt.
Es mache sie wütend, wenn Kriegsberichterstatter als Voyeure dargestellt würden, sagte Gruber im Gespräch mit Thomas Kraft. "Ich habe während meiner Recherche sehr viele kennengelernt, die sich ernsthaft und engagiert mit ihrer Arbeit auseinandersetzen." Das unlösbare Dilemma bleibt: Ein Fotograf kann nicht helfen, wenn er fotografiert. Vielleicht ein Grund dafür, dass - auch das ein Rechercheergebnis Grubers - die wenigsten es schaffen, zu Hause ein normales Leben zu führen.
Die in Südtirol geborene Autorin hatte bereits in ihrem ersten Roman "Aushäusige" (1996) die Figur eines Kriegsreporters untergebracht. Dort ermordet ein serbischer Heckenschütze den Journalisten Denzel. Ihre wichtigste Informationsquelle war damals der Stern-Reporter Gabriel Grüner, mit dem sie zehn Jahre eng befreundet war. Dass Grüner im Juni 1999 im Kosovo erschossen wurde, drei Tage, nachdem der Krieg für beendet erklärt worden war, sei furchtbar gewesen, sagte Gruber, auch weil es sich so anfühlte, als würde sich das von ihr Geschriebene wie eine Prophezeiung in Wirklichkeit verwandeln.
Dass ihr neues Buch mit Grüner zusammenhänge, wies sie zurück. "Über ihn wollte ich nie schreiben", sagte sie. Den Namen Daldossi hat sie einem Meraner Fotografen ihrer Kindheit entliehen. Ansonsten hat ihr über 60 Jahre alter Protagonist für das Magazin Estero fotografiert und ist mit einer Zoologin liiert, die seine Kriegsversehrtheit nicht mehr erträgt. Als Abgesang auf einen Berufsstand, wie ein Zuhörer vermutete, wollte sie ihren Roman aber nicht verstanden wissen.