Literaturfest:Georgische Grenzgängerin

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Die Autorin Nino Haratischwili zu Gast im Literaturhaus

Von Christiane Lutz, München

Nino Haratischwili erzählt so lebendig, dass Moderatorin Luzia Brauns Zeitplan durcheinander kommt und sie nach knapp 90 Minuten im vollbesetzten Literaturhaus zum Ende ihrer Notizen springen muss, um allerletzte Fragen zu stellen. Haratischwili ist 35, lebt als Autorin, Dramatikerin und Theaterregisseurin in Hamburg, ist Mutter einer Tochter und das, was man im Literaturbetrieb eine "wichtige Stimme" nennt.

Ihr Durchbruch kam 2014 mit dem georgischen Familienroman "Das achte Leben (Für Brilka)", Feuilletons und Leser schwärmten gleichermaßen von ihrer bildstarken Sprache. Dass sie so schreibt, wie sie schreibt, sagt Haratischwili, liege auch daran, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Sie ist in Georgien geboren und aufgewachsen. In ihrem aktuellen Roman "Die Katze und der General" schafft sie wieder große Bilder und bedient sich reichlich an Pathos. Auch wenn die Rezeption weit weniger überschwänglich war, schaffte es Haratischwili damit auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises.

Auf mehr als 800 Seiten schreibt sie eine Schuld-und-Sühne-Geschichte, die ihren Ursprung in einem grausamen Verbrechen im ersten Tschetschenienkrieg hat. Eine wichtige Rolle in dem Roman spielt eine georgische Schauspielerin, über die Haratischwili dem Leser Anekdoten aus der georgisch-deutschen Community unterjubelt. "Georgier zeigen alle ihre Gefühle", erzählt sie, "das ist überhaupt nicht verpönt. Einer heult, einer lacht, alles laut." Sie beschreibt ihre Erfahrungen als Grenzgängerin zwischen deutscher und georgischer Kultur ("an Georgien mag ich die Wärme, die Emotionalität, an Deutschland die Loyalität und die Wertschätzung bestimmter Dinge") und erzählt von ihren bedrückenden Recherchen in Tschetschenien. Ein Land, in dem sich alle zu Wladimir Putin bekennen müssen und hinter vorgehaltener Hand vom Krieg sprechen. Nino Haratischwilis Blick ist einzigartig. Wie gut, dass es sie als Stimme in der deutschen Literaturszene gibt.

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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