Literaturfest:Fehlperspektive

Mukasonga fordert: "Europa darf Afrikaner nicht infantilisieren"

Afrika und Frauen haben etwas gemeinsam. Beides findet meist in einer Art Extra-Box statt. Auf Festivals bezogen bedeutet das: Sonderveranstaltungen über Frauenliteratur, weibliche Filmschaffende - oder eben "Afrikanische Perspektiven". Genau darin liegt das Problem dieses Abends im Import-Export, der zwar zwei spannende Gäste auf die Bühne bringt, aber beiden nicht gerecht wird.

Um das Verhältnis der beiden Nachbarkontinente Afrika und Europa sollte es gehen, um ihre neuere gemeinsame Geschichte, und wie die afrikanisch-diasporische Literatur damit umgeht. Kurator Albert Ostermaier wollte es politisch haben, und so war es konsequent, dass neben der ruandischen Autorin Scholastique Mukasonga auch der in Burkina Faso geborene Münchner Aktivist Hamadou Dipama auf der Bühne saß. Doch abgesehen davon, dass beide in Afrika geboren und aus ihrer Heimat geflohen sind - Mukasonga zunächst nach Burundi und dann nach Frankreich, Dipama über Mali nach Deutschland -, hatten sie kaum Berührungspunkte.

Moderatorin Nadja Ofuatey-Alazard verstärkt diesen Eindruck unfreiwillig: Zuerst sitzt sie mit Mukasonga auf der Bühne, dann schickt sie sie weg, um Dipama nach oben zu bitten. Und so wird der Abend zerlegt in Einzelteile, die nicht zusammenfinden - auch weil sich die Moderatorin dafür entscheidet, noch eine dritte, abwesende Autorin in den Abend hineinzupacken, statt ihre Gäste auch einmal miteinander sprechen zu lassen.

Berührende Momente gibt es dennoch. Die Auszüge aus Mukasongas autobiographisch geprägtem Roman "Die Heilige Jungfrau vom Nil" zum Beispiel. Oder die Stimme der Autorin, die brüchig wird, wenn sie erzählt, wie sie durch das Schreiben ihre im Völkermord 1994 getötete Mutter endlich beerdigen konnte. Auch Hamadou Dipamas Bericht über Rassismus in München, der angeblichen "Weltstadt mit Herz", wie er hinzufügt, fesselt und erschüttert. "Europa sollte aufhören, Afrikaner zu infantilisieren", sagt Scholastique Mukasonga am Ende des Abends. Es sollte auch aufhören, einen ganzen Kontinent in eine Box zu stecken.

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