Literaturfest:Das kleine Raunen

Forum:Autoren: Lena Herzog stellt ihren Film "Last Whispers" vor

Von Eva-Elisabeth Fischer

Eine schöne Stimmung herrscht an diesem Sonntag im Museum der fünf Kontinente. Der Espressoautomat faucht, man kriegt ein herrlich starkes Gebräu. Gleich pilgert man mit etlichen anderen hinauf in den ersten Stock, neugierig darauf, sinnlich Neues vermittelt zu bekommen bei der Uraufführung von Lena Herzogs Film "Last Whispers", einem Oratorium für verschwindende Stimmen, kollabierende Universen und einen fallenden Baum.

Die Problematik aussterbender Sprachen hat am vergangenen Freitag Mandana Seyfeddinipur, die Leiterin des Londoner SOAS World Languages Institute, in dieser Zeitung dargelegt. Große Teile des Filmmaterials stammen aus ihrem Archiv. Von Ahom bis Yotoxchitl Mixtec reichen denn die Namensschildchen der Sprachen, welche die Landstriche, wo sie hingehören, auf der Erdkugel markieren. Man hört sie sogleich, solistisch oder im Chor, gesprochen oder gesungen, einige der 6970 von der einen Hälfte der Menschheit gesprochenen, aber von der Auslöschung bedrohten Sprachen. Denn die andere Hälfte, zu der auch wir gehören, beschränkt sich auf nur 30 weitere Sprachen.

Man lauscht also eine Stunde lang dem, was sich anhört wie ein ununterbrochenes mystisches Raunen, bedroht vom endgültigen Verstummen. John Cage, dem Meister der Stille, wäre sicherlich mehr dazu eingefallen als dieses Wispern über kargen, in monochromen Grautönen gehaltenen Landschaftsbildern. Das Erhellendste ist die Luftaufnahme einer Schwanenfamilie auf einem See, die sich unbeirrt ihren Weg durch die Algen bahnt. Den Vormittag füllt das nicht.

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