Süddeutsche Zeitung

Literatur:Wer spielt, hat mehr vom Leben

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Die schwedische Autorin Frida Nilsson wird in der Internationalen Jugendbibliothek mit dem James Krüss Preis ausgezeichnet - für ihre außergewöhnlich schrägen Kindergeschichten

Von Roswitha Budeus-Budde

Die schwedische Autorin Frida Nilsson ist eine Ausnahmeerscheinung der modernen Kinderliteratur" schrieb die Jury des James Krüss Preises für internationale Kinderliteratur über die Preisträgerin 2019. "Die Achtung vor dem Kind und seinem Weltbild, das Gespür für seine Verletzlichkeit sowie ein unverbrüchlicher Gerechtigkeitssinn sind Aspekte, die ihr Werk auszeichnen."

Es war die Serie über Hedvig, die Frida Nilsson bekannt machte. Darin erlebt ihre Heldin einen Schulalltag, der sich sehr von den üblichen Erstlese- und Schulgeschichten unterscheidet, mit seinem schrägen Witz und manchmal auch komisch-traurigen, sehr realistischen Szenen. Denn die 1979 in der schwedischen Provinz geborene Autorin erzählt darin über ihr eigenes Kinderleben mit Eltern, die ihr viel Freiheit ließen. Mit einem Vater, der als Journalist und Theaterautor arbeitete, dem sie nach dem Abitur nachfolgte, am Kindertheater und später als Moderatorin im Kinderfunk. Sie begann ihre Geschichten, die dort zuerst gesendet wurden, dann als Bücher herauszugeben.

Auf die Nominierungsliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis kam sie mit "Ich, Gorilla und der Affenstern", in dem eine Gorilla-Dame ein verwahrlostes Mädchen aus dem Waisenhaus adoptiert und ihm Geborgenheit gibt. Und mit der Geschichte "Frohe Weihnachten Zwiebelchen", in der ein Junge am Weihnachtsabend versucht, den Vater zu finden.

Bald wurde sie für ihre Erzählweise, bei der auch Natur und Tiere eine besondere Rolle spielen, nicht nur mit wichtigen Preisen ausgezeichnet, sondern als Nachfolgerin von Astrid Lindgren gefeiert. "Als ich ein Kind war, hab ich sie gelesen. Und die Filme gesehen. Deshalb haben mich die Bücher Astrid Lindgrens wirklich inspiriert. Vor allem die heiteren Geschichten aus dem Alltag, wie ,Wir Kinder aus Bullerbü' und ,Madita', also Alltagsgeschichten, die so heiter sind, wie es kleine, sehr dramatische Alltagsgeschichten eben sein können", sagte sie in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Aber es ist mehr als Inspiration, was Nilsson mit Lindgren verbindet. Beide haben die gleiche Sicht auf Kindheit als wichtigste Phase im Leben. Nilsson betont immer wieder, dass es ihr schwerfiel, erwachsen zu werden, darum könne sie auch keine Teenager-Bücher schreiben. Und Lindgren lebte und schrieb aus der Erinnerung an ihre Kindheit in Bullerbü und die Spiele mit Geschwistern und Freunden.

Das Spielen zieht sich als Motiv auch durch Nilssons Œuvre. In ihrem neuen Kinderroman "Sasja und das Reich jenseits des Meeres" (Gerstenberg) versucht ein Junge auf einer abenteuerlichen Reise, seine kranke Mutter ins Leben zurückzuholen. Mit drei Freunden gerät er in eine anthropomorphe Welt, in der der Tod herrscht und die sie nur überstehen, weil sie spielen. "Die Menschen, sie ziehen ihre Kinder groß, als wären sie noch nichts, sondern müssten erst werden", gibt der Tod ihnen als Mahnung mit - und beschwört sie, niemals mit dem Spielen aufzuhören.

Heute lebt Frida Nilsson mit ihrer Familie und zwei Söhnen in Stockholm und versucht, für sie erwachsen zu sein. Und sie weiß genau, warum sie für Kinder schreibt - nicht, damit sie etwas lernen, sondern "weil eine gute Geschichte den Geist anregt und den Leser oder die Leserin auf Abenteuer schickt. Lesen macht Spaß, Lesen macht froh", sagte sie bei der Eröffnung des Internationalen Literaturfestes 2018 in Berlin. Ganz im Sinne von James Krüss: "Ich bin der Herr meiner eigenen Geschichten. Ich bestehe darauf, die Unvernunft zu zeigen, aber am Ende lasse ich die Vernunft triumphieren, weil ich der dummen Wirklichkeit ein Stück voraus bin. Und nichts kann Kindern die Dichtung mehr verleiden als Langeweile. Warum also schreibt man für Kinder? Aus Spaß."

James Krüss Preis an Frida Nilsson , Do., 4. Juli, 19.30 Uhr, Internationale Jugendbibliothek, Schloss Blutenburg, Anm. t 891 21 10

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SZ vom 03.07.2019
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