Literatur:Ungreifbare Stilikone

Maeve Brennan

Brennan, Autorin beim New Yorker, gilt als Vorbild für Holly Golightly in "Frühstück bei Tiffany".

(Foto: Nina Leen/Getty)

Eine Biografie nähert sich der irischen Autorin und Journalistin Maeve Brennan

Von Yvonne Poppek

Es gibt zwei Eigenschaften, die mit der irisch-amerikanischen Schriftstellerin Maeve Brennan nicht vereinbar sind: langweilig und offenherzig. Diese Kombination macht eine Biografie genauso einfach wie schwierig. Wie nähert man sich jemanden, der gerne für sich bleibt? Die Münchner Autorin Michaela Karl, die schon mehrere Biografien geschrieben hat, hat sich hierfür eine einfache Brücke gebaut. Sie nennt Brennan über 300 Seiten hinweg schlicht nur bei ihrem Vornamen. Maeve. So löst sie auf den ersten Blick die Distanz zu der Schriftstellerin und Stilikone auf. Brennan führte ein unstetes Leben, zog häufig um, hatte mehrere Affären. Dann wieder fokussierte sie sich oft völlig auf ihr Schreiben und gab als Kolumnistin des New Yorker gern die distanzierte Beobachterin. Brennan starb schließlich 1993 vereinsamt in einem Pflegeheim.

"Ich würde so etwas nie ohne Lippenstift lesen", lautet der Titel der Biografie (Hoffmann und Campe), in der Karl dann noch einen weiteren Kniff anwendet: Sie nähert sich Brennan, indem sie sie aus der Zeit heraus begreift und die gesellschaftliche Situation und das Umfeld minutiös beschreibt. Sie umreißt sozusagen das Negativ, um das Positiv zu bekommen. Nach und nach formt sich so das Bild der gefeierten New Yorker Autorin, die viele für das Vorbild von Holly Golightly aus "Breakfast At Tiffany's" halten. Eine zudringliche Nahaufnahme wird es indes nicht.

Maeve Brennan wurde 1917 in Dublin geboren. Ihre Eltern waren politisch engagiert, kämpften um die Unabhängigkeit Irlands. 1934 wurde Vater Robert Brennan der erste Botschafter der jungen Republik Irland in den USA, die Familie siedelte um. Für seine Tochter Maeve sollten die Staaten die neue Heimat werden - so zumindest interpretiert dies Karl. Sie macht deutlich, dass die USA kein trauriges Exil für Maeve Brennan waren.

Vielmehr interpretiert Karl die Großstadt New York als Nährboden für eine junge, talentierte, kluge, mutige und emanzipierte Frau wie Brennan. Um diese Ansicht zu etablieren, geht sie detailliert auf das New York um die Mitte des 20. Jahrhunderts ein, schildert insbesondere die Modewelt und die Redaktion von Harper's Bazaar, der Konkurrenzzeitschrift zur Vogue. Dort begann Brennan ihre journalistische Laufbahn, bevor sie vom legendären New Yorker abgeworben wurde. Den Kosmos des New Yorker zeichnet Karl in schillernden Farben, nährt den Mythos einer genauso hochtalentierten wie hochsensiblen Redaktion, in die sich Brennan wunderbar einfügte.

Karl geht in ihrer Biografie nur anfangs chronologisch vor, unterteilt dann ihr Buch thematisch, widmet sich nach und nach den Themen Mode, Affären, Schriftstellerei, Heirat, Trennung, Einsamkeit. Und schließlich Brennans Verfall, den Karl mit Schizophrenie in Zusammenhang bringt. All diese Bereiche sind spannend, die Autorin schlüsselt sie detailliert auf. Stoff ist in allen Bereichen genug da. Und der ist nie langweilig, auch wenn sich Maeve Brennan damit nie vollkommen erschließen lässt.

Michaela Karl: "Ich würde so etwas nie ohne Lippenstift lesen." Maeve Brennan. Eine Biographie, Hoffmann und Campe, 352 Seiten, 22 Euro

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