Literatur: Tanz der Dienstmädchen:Leopardenpantoffeln trägt man nicht

Die Besserverdienenden, von unten betrachtet: Maeve Brennans "Tanz der Dienstmädchen" ist ein spitzer, amüsanter, gelungener Erzählband.

H.-P. Kunisch

Wer hört, dass Maeve Brennan, die es mit ihrer aus dem Nachlass herausgegebenen Novelle "The Visitor" in den USA auf Anhieb zu einem der Klassiker des Genres gebracht hat, die Tochter des ersten Botschafters der irischen Republik in Amerika war; dass sie über Jahre der Redaktion des New Yorker angehörte, dass sie ihren Chefredakteur St.Clair McKelway heiratete; dass sie, ohne Rabatt wegen geistiger Leistung, als Schönheit durchging, die klug und witzig war, mit einer "Zunge, scharf wie eine Heckenschere", der mag es etwas snobistisch finden, dass ausgerechnet sie die Welt der Reichen aus der Sicht der Untergebenen schildert, wie in dem jetzt auf Deutsch erschienenen Erzählungsband "Tanz der Dienstmädchen".

Literatur: Tanz der Dienstmädchen: Eine Art Breakfast at Tiffany's: Die New Yorker Schriftstellerin Maeve Brennan zeichnet das bissige, aber fein akzentuierte Porträt einer mit sich selbst beschäftigten Gesellschaft.

Eine Art Breakfast at Tiffany's: Die New Yorker Schriftstellerin Maeve Brennan zeichnet das bissige, aber fein akzentuierte Porträt einer mit sich selbst beschäftigten Gesellschaft.

(Foto: Getty Images)

Doch wenn man die Lebensumstände der 1917 in Dublin geborenen Schriftstellerin, die 1993 nach diversen Schizophrenieschüben einsam und verwahrlost in New York starb, etwas genauer betrachtet, wie es Angela Bourke in ihrer noch unübersetzten Biographie ("Homesick at the 'New Yorker'", Jonathan Cape, London 2004) unternommen hat, sieht die Sache doch etwas anders aus.

So war die New Yorker irische Botschaft nicht mit einem typischen Diplomaten, sondern, wie in jungen Staaten üblich, mit einem Kämpfer für die siegreiche Sache besetzt: Bob Brennan, Sohn eines Viehhändlers aus Wexford, war Journalist geworden, landete aus politischen Gründen oft im Gefängnis, entging der Hinrichtung nur durch Glück. Mit der rebellischen Tochter eines Großfarmers zog er nach Dublin, und eine typische Hauptstadt-Familie mit ländlichem Hintergrund entstand. Auch das Haus 48. Cherryfield Ave., in dem Maeve Brennan aufwuchs und das in ihren Dubliner Erzählungen wie in der "Besucherin" auftaucht, war Middle-Class, anders als jene Szene, die Brennan im "Tanz der Dienstmädchen" beschreibt.

Die gut abgehangene Herrschaftlichkeit

Schauplatz der meisten Erzählungen ist "Herbert's Retreat", das der über zweihundert Jahre alten, auf der Ostseite des Hudson nahe bei New York in einem Wäldchen versteckten Siedlung Sneden's Landing nachgebildet ist, wohin Brennan nach der Heirat mit McKelway für einige Jahre zog. Heute läuft die Ansammlung eigenwilliger Häuser unter dem Namen "Palisades", und einfache Leute wie Al Pacino, Mihail Baryshnikov oder Björk haben Einzug gehalten.

Im Buch ist Herbert's Retreat ein sozialer Raum eigener Art, in dem 39 große, weiße Häuser stehen, ergänzt von Cottages, bewohnt von feinen Herrschaften, alle betreut von irischen Dienstmädchen. Was auch in Sneden"s Landing so gewesen sein muss und bei Maeve Brennan eine produktive Spannung erzeugte. Nie ganz zur gut abgehangenen Herrschaftlichkeit passend, spürte sie den Blick der Hausangestellten auf sich und die karikaturhaft besondere Umgebung, fügte ihm ihren eigenen hinzu.

Wobei die soziale Durchmischung im Buch auch anders da ist. Die Frauen der Hausbesitzer sind oft Aufsteigerinnen. Leona zum Beispiel, eine ehemalige Sekretärin, die eines der begehrten Häuser mit Flussblick ihr eigen nennen darf, weil Tom, dem sie den Wohnsitz verdankt, bei einem Autounfall verschied. Leonas zweiter Mann, ein Kreditmanager ("der letzte Abschaum" wie die Dienstmädchen damals sagen), spielt eine geringe Rolle, die von der Charles Runyons weit übertroffen wird, einem ältlichen Literatur- und Theaterkritiker, der für Zeitungen des Mittleren Westens eine Kolumne schreibt.

Doch in Herbert's Retreat ist "Gott", wie die Dienstmädchen den Mann mit den rosa-weißgestreiften Hemden nennen, für Geschmack zuständig, bei Leona hat er ein Wochenend-Zimmer, was beide erhebt.

Zwischen Tschechow und Flaubert

Im Gegensatz zu Brennans Dubliner Stories, die meist karg von schwierigen Gefühlen zwischen Paaren oder Familienmitgliedern erzählen, ist der "Tanz der Dienstmädchen" ein spitzes, amüsantes, aber nicht weniger gelungenes Buch. Das liegt nicht zuletzt an Brennans vielfach verspiegeltem Blick, den sie auf ihre Erzählerin überträgt. Was etwa bedeutet, dass sie Bridie, Stasia, Angie zu Protagonistinnen macht, die das Leben der Herrschaft spöttisch kommentieren, dabei jedoch, ganz unidealistisch gesehen, selber neidisch, muffig und boshaft bleiben.

Alle Erzählungen aus dem "Tanz der Dienstmädchen" wurden zuerst im New Yorker gedruckt und bilden zusammen eine Art Episodenroman, in dem sich neue und bekannte Figuren treffen und verändern. So ist Charles Runyon in der zweiten Erzählung ein friedlicher Leopardenpantoffelträger, der eine Reihe von Pannen erlebt, die mit dem Platzen eines Hemdknopfs beginnen. In der Titelerzählung aber wird er zum abgefeimten Stück, das den einstigen Frauenhelden Eduard, der Herbert's Retreat verlassen hat, in der Welt gestrauchelt ist und nur zurück kehrt, um Schnaps zu bekommen, gnadenlos zerkleinert - obwohl auch Charles auf Leona angewiesen ist.

Doch Bridie und Angie hören, was Schmarotzer Charles und die Freundinnen von sich geben. Worauf die Dienstmädchen und Polizisten aus dem Dorf beim allseits beliebten "Dienstmädchenball" nicht mit den Herrschaften tanzen, dabei aber ganz freundlich bleiben.

Leise, melancholisch, privat

Als Gipfelpunkt der Infamie haben sie dort, wo vergebens gewartet wird, ein Mikrofon aufgestellt. Ziemlich brillant wirkt Brennans einfacher, unauffälliger Stil, den Brennan-Bewunderer Edward Albee mit Tschechow und Flaubert verglichen hat, auch in der Geschichte, die von einem zweiten Highlight im Dienstmädchenleben ausgeht, dem gemeinsamen sonntäglichen Messebesuch.

Aber heute ist Stasia in sich zerrissen. Sie will nicht verpassen, wie das Haus erwacht. Harrys zweite Frau hatte gestern Besuch von einer Ex-Liebhaberin Harrys, als Harry mit dem aktuellen Mädchen eintraf. Am Ende beschäftigten sich alle vier zerstritten und sturzbetrunken mit der Freilegung eines Kamins, den Harry der Exfrau zuliebe hatte zumauern lassen, wovon die neue, eine Kaminliebhaberin, noch nichts wusste.

Von Erzählung zu Erzählung entsteht das bissige, aber fein akzentuierte Porträt einer mit sich selbst beschäftigten Gesellschaft. Dass Maeve Brennan aber auch anders konnte als böse und leicht, erfährt man in den letzten beiden Erzählungen des Bandes, die den Untertitel "New Yorker Geschichten" rechtfertigen.

Leise, melancholisch, privat, dabei nicht weniger genau, stammen sie aus der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, als die von Trinker McKelway geschiedene, kranke, verarmte und immer launischere Maeve Brennan an Wahnvorstellungen zu leiden begann, sich in Hotels der 42Street allmählich auf die makabre Existenz in einem Zimmerchen hinter den Toiletten des New Yorker vorbereitete. Dort wurde sie lange geduldet, bis sie Leute zu belästigen begann. Vielleicht in vager Erinnerung an ihre erste publizierte Erzählung "The Holy Terror", in der sie eine intrigante Klofrau porträtiert hatte.

MAEVE BRENNAN: Tanz der Dienstmädchen. New Yorker Geschichten. Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Steidl Verlag, Göttingen 2010. 232 Seiten, 18 Euro.

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