Debatte um "Stella":Gegen Takis Würgers Roman werden rechtliche Schritte geprüft

Roman Stella

Der Roman "Stella" des Autors Takis Würger wurde in Buchkritiken heftig diskutiert und kontrovers besprochen.

(Foto: dpa)
  • Der Roman "Stella" des Spiegel-Journalisten Takis Würger basiert auf der Lebensgeschichte der 1922 geborenen Stella Goldschlag.
  • Der Berliner Anwalt Karl Alich vertritt die Erben von Stella Goldschlag und stellt "erhebliche Rechtsfragen" an den im Hanser-Verlag erschienenen Roman.
  • Der Fall könnte zu einem werden, in dem Persönlichkeitsrechte und Kunstfreiheit gegeneinander abgewogen werden müssten.

Von Marie Schmidt

Gegen den Roman "Stella" des Spiegel-Journalisten Takis Würger sind persönlichkeitsrechtliche Einwände erhoben worden. Würgers Darstellung der titelgebenden Hauptfigur basiert auf der Lebensgeschichte der 1922 geborenen Stella Goldschlag. Unter dem Eindruck schwerer Folter und der drohenden Deportation ihrer Eltern kollaborierte die jüdische Deutsche in den Vierzigerjahren mit der Gestapo und lieferte untergetauchte Juden der Vernichtung aus. Die Literaturkritik hatte die grob trivialisierende Verarbeitung der Geschichte in Würgers Roman bemängelt, auch in der SZ. Nun meldet sich der Berliner Anwalt Karl Alich zu Wort, der die Erben von Stella Goldschlag vertritt.

Goldschlag selbst hat sich im Jahr 1994 das Leben genommen. Zuvor hatte sie dem Historiker Ferdinand Kroh ihre publizistischen Persönlichkeitsrechte übertragen. Damit versuchte sie sich zu versichern, dass ihr Verhalten als "Greiferin" in Zukunft nie ohne Vorgeschichte erzählt werden dürfte. Im Lichte dessen stellt Alich, der die Erben des ebenfalls verstorbenen Kroh vertritt, "erhebliche Rechtsfragen" an den im Hanser-Verlag erschienenen Roman sowie das davon unabhängige Musical "Stella" der Neuköllner Oper in Berlin.

Das berichtete zunächst Micha Brumlik, Erziehungswissenschaftler und früherer Leiter des Fritz-Bauer-Instituts, in der Zeit. Durch Forderungen Alichs, das Musical nicht mehr aufzuführen und den Roman nicht mehr zu vertreiben, sieht Brumlik "einen möglichen Rechtsstreit von höchster kulturpolitischer Bedeutung" heraufziehen. Dieser Rechtsstreit befindet sich bestenfalls in einem sehr frühen Stadium. Bei der Neuköllner Oper sind noch keine konkreten Forderungen eingegangen. Der Hanser-Verlag wurde erst nach dem Erscheinen des Artikels mit der Forderung konfrontiert, spezifische Passagen in Würgers Roman zu schwärzen und das Buch bis dahin nicht weiter zu vertreiben. Das Schreiben mit diesen Forderungen liege bei den Anwälten des Verlags, man werde sich einstweilen zu dem Vorgang nicht äußern, hieß es bei Hanser.

Bei den Passagen handelt es sich um in den fiktionalen Text montierte Ausschnitte aus Akten eines sowjetischen Militärtribunals, vor das Stella Goldschlag 1946 gestellt wurde. In juristischen Auseinandersetzungen um literarische Darstellungen lebender oder historischer Personen spielt das Ausmaß eine Rolle, zu dem für Leser erkennbar ist, dass die fiktionalisierte Aussage über die wirkliche Person von einer faktischen zu trennen ist. Würger stellt dem Buch den Satz voran: "Teile dieser Geschichte sind wahr" und gibt den Einschüben der Gerichtsakten einen dokumentarischen Anstrich, allerdings ohne die Legitimität und die Verfahren sowjetischer Militärtribunale zu problematisieren. Die Dokumente sind aus dem historischen Zusammenhang gerissen.

Bevor es zur juristischen Auseinandersetzung kommt, müsste aber geklärt werden, inwieweit immaterielle Persönlichkeitsrechte an andere als Verwandte übertragen werden können, und ob diese 25 Jahre nach dem Tod der Betreffenden noch wahrgenommen werden können. Erst dann könnte der Fall "Stella", wie der Fall des Romans "Esra" von Maxim Biller oder von Klaus Manns "Mephisto", zu einem werden, in dem Persönlichkeitsrechte und Kunstfreiheit gegeneinander abgewogen werden müssten.

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