Literatur:Sehnsuchtswort

TV-Serie führt an Norwegens einsamste Plätze

Hier stimmt jedes Norwegen-Klischee: ein Bauernhof über dem Eidfjord.

(Foto: Tor Sivertstøl/dpa)

Norwegen ist Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Vier der bekanntesten Autoren besuchen am Montag das Literaturhaus München, um auch hier aus ihren Werken zu lesen

Von Yvonne Poppek

Das Hexenhaus ist ein Sehnsuchtsort. Es liegt in den norwegischen Bergen, weitab von jeder Ansiedlung. Wer zu der roten Hütte gelangen möchte, muss durch Felsen klettern, bisweilen steht man "fast bis zu den Knien in Farn und Blaubeersträuchern". Schließlich gelangt man an einen "Glitzersee", mit Ruderboot und Holzhäuschen. Ruhig ist es dort, ganz Stille und Natur, Rotwild und Elche lassen sich dort beobachten, "Füchse und Hasen, Hermeline und Otter". Jostein Gaarder hat dieses Plätzchen zum Handlungsort seines neuen Romans "Genau richtig" (Hanser) erkoren. Der Norweger, der mit seinem Philosophie-Erklärungsbuch "Sofies Welt" berühmt wurde, kommt mit der "kurzen Geschichte einer langen Nacht" am Montag, 21. Oktober, ins Literaturhaus München - zusammen mit seinen norwegischen Kollegen Tomas Espedal, Martin Ernstsen und Kjersti A. Skomsvold.

"Norwegen: Der Traum in uns" ist der Abend überschrieben. Das passt natürlich wunderbar zu dem fast schon klischeehaft entzückenden Glitzersee samt Holzhüttchen in Gaarders Buch. Ganz konkret ist dies aber auch das Motto, das den Norwegern auf der Frankfurter Buchmesse umgehängt wurde. Das skandinavische Land ist dieses Jahr Gastland auf der Buchmesse, die an diesem Sonntag zu Ende geht. Tags drauf, am Montag, versammeln sich eben jene vier Autoren in München, um auch hier ihre Literatur vorzustellen.

Da wäre also Tomas Espedal, der kurzfristig für die Veranstaltung im Literaturhaus gewonnen werden konnte. In Deutschland ist dieses Jahr der vorletzte Band seiner zehnteiligen Reihe erschienen. "Das Jahr" (Matthes & Seitz Berlin) heißt es, ein Langgedicht, in dem ein "Ich" den Spuren Petrarcas und seiner großen Liebe Laura in Avignon folgt. Das Erzähler-Ich umkreist dabei selbst seine unerfüllte Sehnsucht: "Wen man liebt / den kann man nicht festhalten. / Was wir lieben ist ein fliehender Traum."

Weniger von Traum, sondern vielmehr von erdrückend armseliger Realität geprägt ist Knut Hamsuns Frühwerk, der Roman "Hunger", erschienen Ende des 19. Jahrhunderts. Der Illustrator Martin Ernstsen hat dieses bedeutsame Buch in eine Graphic Novel übertragen (Avant Verlag). Auf 220 Seiten entfaltet er das Leben von Hamsuns Hauptfigur, einem jungen, mittellosen Schriftsteller und Journalisten in Kristiania, dem heutigen Oslo, mit teils biedermeierlich wirkenden und im Aquarell-Stil gehaltenen Szenerien, mit Zeichnungen oder auch mit knalligen, zu Fantasie-Gestalten geschrumpften Comic-Figuren. Weltliteratur als großartige, bildnerische Neuschöpfung.

Als Illustrator fällt Ernstsen in der Reihe der vier norwegischen Besucher natürlich auf. Denn Kjersti A. Skomsvold ist hier ebenfalls als Autorin dabei, die das Literaturhaus zur Repräsentation ihres Landes eingeladen hat. Während sie in "Meine Gedanken stehen unter einem Baum und sehen in die Krone" (Hoffmann und Campe) über die Veränderungen nachdenkt, die am Anfang eines Lebens stehen, so denkt Jostein Gaarders Hauptfigur in "Genau richtig" über das entgegengesetzte Ende nach: über den Tod. Albert hat die Diagnose erhalten, dass er sehr bald sterben und auf dem Weg dahin immer mehr zu einem Pflegefall wird. Am Glitzersee in seinem Hexenhaus wägt er ab, ob er nicht besser den Freitod wählen sollte. Gaarder führt seine Leser in diesem Zusammenhang bis zur Entstehung der Erde zurück. "Es ist nicht unvorstellbar, dass es bei diesem Universum um etwas geht", lässt er seinen Protagonisten schlussfolgern. Und das ist natürlich nichts anderes als der Beginn der Hoffnung.

Norwegen: Der Traum in uns, ein Abend mit Jostein Gaarder, Martin Ernstsen, Tomas Espedal und Kjersti A. Skomsvold, Montag, 21. Oktober, 20 Uhr, Literaturhaus München, Salvatorplatz 1

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