Süddeutsche Zeitung

Literatur:Qualityland 2.0

Von Nicolas Freund

Wer möchte nicht in ihr leben, der besten aller möglichen Welten? Was mal eine philosophische Frage war, wird heute in fast rührend naiver Weise von den großen Tech-Konzernen zum Versprechen ihrer Produktwelten gemacht: Kaufe unsere Sachen (oder bezahle sie mit deinen Daten) und alles wird so unendlich viel geiler, als du es auch nur zu träumen wagtest. Diese Steilvorlage ist das Thema der aktuellen Buchreihe des Kleinkünstlers Marc-Uwe Kling oder wie er es formuliert: "Yo, das Internet, ich sag immer: Gute Idee. Schlecht umgesetzt."

Kling ist irre bekannt geworden mit zu Romanform ausgeweiteten Sketchen über einen Berliner Lebenskünstler namens Marc-Uwe Kling und dessen Mitbewohner, ein impulsives, kommunistisches, sprechendes Känguru. "Qualityland 2.0" (Ullstein, Berlin 2020. 432 Seiten, 19 Euro) heißt nun der neueste Roman, in dem es wie im Vorgänger nicht mehr um das Känguru geht, der aber trotzdem gespickt ist mit Anspielungen auf die vier Teile der "Känguru-Chroniken" und einem ganz ähnlichen Schema folgt. In einer nur leicht verfremdeten dystopischen Science-Fiction-Welt muss sich Peter Arbeitsloser (die Menschen in dieser Zukunft werden nach den Berufen ihrer Eltern benannt) gegen fiese Konzerne und Milliardäre zur Wehr setzen. Das ist aber nur die Entschuldigung für eine Reihe mal mehr, mal weniger gelungener Witze über das Internet und unsere Gegenwart, die, in Anlehnung an Bronze- und Eisenzeit, in "Qualityland" nur noch als Kabelzeit bekannt ist. Welcher Gegenstand fasst auch die schöne neue Technikwelt besser zusammen, als ein halbkaputtes Iphone-Ladekabel?

Klings "Qualityland" ist purer Kulturpessimismus und er macht es sich manchmal etwas einfach mit der Kritik. Seine Bücher sind mehr Kabarett als Roman. Perfekt beherrscht Kling aber die Imitation der Clickbait-Schlagzeilen ("Was dieser Staubsaugerroboter herausgefunden hat, würde seine Besitzer schockieren!") und anderer Internetphänomene von den Nutzungsvereinbarungen, die wohl außer ihm noch nie jemand gelesen hat, bis zum Plapper-Jargon der Youtuber. Das traurige Fazit dieser überdrehten Internetsatire? "Dumm klickt gut."

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Quelle:
SZ vom 31.10.2020
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