Süddeutsche Zeitung

Literatur-Nobelpreis für Le Clézio:Im literarischen Olymp

Das Rätselraten hat ein Ende: Der begehrteste Literaturpreis der Welt geht in diesem Jahr an den französischen Schriftsteller Jean-Marie Gustave Le Clézio. Berühmt wurde er mit dem Roman "Das Protokoll".

Lyriker, Dramatiker und Romanciers - die diesjährigen Kandidaten für den begehrten Literatur-Nobelpreises kamen aus allen literarischen Richtungen - und aus aller Herren Länder.

Zum wohl glücklichsten Literaten machte die schwedische Nobel-Akademie nun den französischen Novellist Jean-Marie Gustave Le Clézio. Der Preis wurde dem 68 Jahre alten Autor zuerkannt als "dem Verfasser des Aufbruchs, des poetischen Abenteuers und der sinnlichen Ekstase, dem Erforscher einer Menschlichkeit außerhalb und unterhalb der herrschenden Zivilsation". Bekannt wurde der Novellist im Jahr 1963 mit dem Buch "Das Protokoll". Le Clézio gehörte in diesem Jahr zu dem erweiterten Favoritenkreis. Er ist seit 1985 der erste französische Literatur-Nobelpreisträger.

Der am 13. April 1940 in Nizza geborene Le Clézio wurde mit seinen zivilisationskritischen, zum Teil autobiografischen Romanen um versunkene, weit entfernte Welten zu einem der bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart. Viele Werke des am 13. April 1940 in Nizza geborenen Autors erschienen auf Deutsch: "Der Goldsucher", "Onitsha", "Ein Ort fernab der Welt", "Revolutionen" und zuletzt "Der Afrikaner".

Das Raunen

Wer "das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen hat", dem steht nach Ansinnen des Stifters Alfred Nobel der Nobelpreis für Literatur zu. Im vergangenen Jahr war das nach Ansicht der Jury die Britin Doris Lessing. 2006 wählte die Jury den populären türkischen Schriftsteller und Menschenrechtler Orhan Pamuk in den literarischen Olymp. 2005 ging der Preis an Harold Pinter aus Großbritannien, 2004 an die Österreicherin Elfriede Jelinek.

Seit Beginn der Vergabe des Nobel-Literaturpreises nahmen lediglich zwei Herren die höchste literarische Ehre nicht an: 1958 musste der sowjetische Autor Boris Pasternak den Preis auf Druck seiner Regierung hin zurückweisen. Der Franzose Jean-Paul Sartre weigerte sich 1964, die Auszeichnung anzunehmen, weil er in der Annahme des Preises zu Zeiten des Kalten Krieges ein politisches Statement sah, dem er sich verweigern wollte.

In kaum einem anderen Feld sind die Spekulationen im Vorfeld der Vergabe so ausufernd und nebulös wie in der Literatur. "Die Akademie wählt am liebsten einen Europäer", schrieb die Stockholmer Zeitung Dagens Nyheter am Mittwoch. Nobelpreis-Juror Horace Engdahl erklärte in einem in Fachkreisen heftig diskutierten Interview mit der Nachrichtenagentur AP Europa zum "literarischen Zentrum der Welt". An der Spitze des vermeintlichen europäischen Favoritenfeldes wurden in den Wochen vor der Verkündung bevorzugt ein Italiener und ein Portugiese gesehen:

Claudio Magris, Professor für Moderne deutschsprachige Literatur an der Universität von Triest und Essayist und Kolumnist für die italienische Tageszeitung Corriere della Sera, machte sich vor allem mit seinen Werken zur mitteleuropäischen Kultur einen Namen. Sein bekanntestes Buch "Danubio" ist eine literarische Reise entlang der Donau.

Der portugiesische Schriftsteller António Lobo Antunes gilt seit Jahren als aussichtsreicher Kandidat auf den Literaturnobelpreis. In seinen Büchern thematisiert er die Geschichte und Gegenwart seines Heimatlandes. Sein Hauptaugenmerk liegt auf dem Schicksal des "kleinen Mannes" und dem Leben am Rande der Gesellschaft.

"Literarisches Zentrum der Welt"

Auch deutschen Literaten wurden durchaus Chancen auf den berühmtesten Preis für Literatur ausgerechnet: Neben dem Schriftsteller und Dramatiker Botho Strauß wurde überraschend in den letzten Tagen auch der Name Herta Müller gehandelt, eine in Rumänien geborene deutsche Schriftstellerin.

Für Zündstoff sorgten die Europa-freundlichen Verlautbarungen des schwedischen Chef-Jurors vor allem deshalb, weil Engdahl die US-Literatur als "zweitklassig, isoliert und vom Massengeschmack abhängig" bezeichnet hatte. Nobel-Spekulanten sahen in diesen Äußerungen die Bestätigung eines Kontinentalmatches zwischen Europa und USA.

Wenngleich die Europäer in den letzten Jahren zumeist die Nase vorne hatten, wurden gerade in diesem Jahr auch viele amerikanische Autorennamen gehandelt. Neben den Postmodernisten Don DeLillo und Thomas Pynchon, waren der Dichter John Ashbery und der Romancier Philip Roth im Gespräch.

Als aussichtsreiche Nicht-Europäer auf das Nobel-Diplom und das Preisgeld von zehn Millionen schwedischen Kronen galten abseits davon der syrisch-libanesische Lyriker Adonis, sein südkoreanischer Kollegen Ko Un und der politisch engagierte israelische Schriftsteller Amos Oz.

Am 10. Dezember findet in Stockholm die offizielle und feierliche Verleihung des Literatur-Nobelpreises durch den schwedischen König Carl Gustaf statt.

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