Literatur - Mainz:Eugen Ruge als Mainzer Stadtschreiber eingeführt

Deutschland
Eugen Ruge, Mainzer Stadtschreiber 2020. Foto: Asja Caspari/ZDF/Stadt Mainz/dpa (Foto: dpa)

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Mainz (dpa/lrs) - Die Stadt Mainz, das ZDF und 3sat haben am Freitag den Schriftsteller Eugen Ruge als neuen Stadtschreiber eingeführt. Das sich schnell verbreitende Coronavirus veranlasste die Stadt, die geplante Feier in großem Rahmen abzusagen. Auch die geplante öffentliche Lesung musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Stattdessen nahm Ruge die Ernennungsurkunde auf der Mainzer Zitadelle von Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) entgegen.

Der 65-jährige Autor sagte im Anschluss an die Auszeichnung nach Angaben eines Stadtsprechers, er freue sich darauf, sich Mainz in Ruhe erschließen zu können. Während er in Moskau eine halbe Stunde brauche, um eine Straße zu überqueren, könne er in dieser Zeit fast die ganze Stadt Mainz durchqueren. In Moskau spielt Ruges jüngster Roman "Metropol", in dem er Erfahrungen seiner Großmutter in der stalinistischen Ära verarbeitet hat.

Bei der Entscheidung für ihren Literaturpreis würdigten die Stadt Mainz sowie die Fernsehsender ZDF und 3sat den Romanautor als "Meister im Schildern von Familienbeziehungen und Lebensentwürfen, geschrieben in einer klaren Sprache mit souveränem Gespür für Dialoge, Tempo und Pointe". Der 36. Träger des Literaturpreises wurde im Ural geboren und wuchs in der DDR auf. Im Alter von 57 Jahren legte er seinen ersten Roman vor, "In Zeiten des abnehmenden Lichts". Darin verarbeitete er die Geschichte seiner Familie - ebenso wie in seinem jüngsten Roman "Metropol".

Darin gibt der in Berlin und auf Rügen lebende Schriftsteller einen eindringlichen und beklemmenden Einblick in die Zeit der Stalin-Diktatur, authentisch vermittelt über Dokumente seiner Großmutter. Dabei ist der Handlungsstrang in "Metropol" eher ereignisarm, wird nur strukturiert von immer neuen Festnahmen der stalinistischen "Säuberungen" und der Angst der verbleibenden Funktionäre, wann sie wohl an der Reihe sind.

Der Autor hat im russischen Staatsarchiv Dokumente der Zeit zusammengetragen und im Buch integriert. Er hat das Zimmer im Hotel gebucht, in dem seine Großmutter mit ihrem Partner 477 Tage lang lebte. Und so eine Wirklichkeit geschaffen, in der Geschichte und Fiktion nahtlos miteinander verbunden sind.

Aus dem Fenster der Stadtschreiberwohnung blickt Ruge auf den Dom und den Marktplatz, auf dem schon bald wieder Hunderte Menschen samstags zum "Marktfrühstück" beim Wein zusammenkommen werden. Der zweite Teil der Auszeichnung besteht aus einem Preisgeld von 12 500 Euro. Und Ruge kann sich dem Medium des bewegten Bilds neu zuwenden, nachdem sein Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts", für den er 2011 den Deutschen Buchpreis erhielt, 2017 verfilmt wurde, mit Bruno Ganz in seiner letzten Rollen. Denn die Preisstifter wünschen sich auch eine Filmdokumentation nach freier Themenwahl. 2018 entstand so ein einfühlsames Feature von Anna Katharina Hahn über Tauben in Städten. Im vergangenen Jahr produzierte Ruges Vorgängerin Eva Menasse ein Filmgespräch mit dem österreichischen Schriftsteller Robert Schindel.

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