Wenn Detektive einen Kriminalfall lösen wollen, wissen sie ganz genau, welche Informationen sie auf die richtige Spur bringen: Ohne Tatwaffe, Zeugen und ein schlüssiges Motiv geht meist nichts. Bei den literarischen Detektiven von Nemo, dem Literaturquiz des Bayerischen Rundfunks, die seit mehr als zehn Jahren anhand von kurzen Textausschnitten Autor und Titel belletristischer Werke ermitteln, liegt der Fall verzwickter. Das zeigte sich am Donnerstagabend im Lyrikkabinett bei der letzten Nemo-Ausgabe vor der Sommerpause.
Neben der Stammbesetzung, bestehend aus der vormaligen Monacensia-Leiterin, Elisabeth Tworek, und dem Literaturprofessor Andreas Trojan war an diesem Abend auch der Autor und Kulturmanager Thomas Girst mit im Rateteam. Girst machte gleich klar, dass er sich bei der unüberschaubaren Vielzahl an Titeln in erster Linie auf originelle Lösungshinweise verlegen wolle. Diesen Anspruch löste der Chef des Kulturengagements von BMW schon beim ersten zu erratenden Titel ein. Die zwischen Traum und Wirklichkeit changierende Libellen-Szene zwischen Esmeralda und dem Dichter Gringoire aus Victor Hugos "Der Glöckner von Notre-Dame", erinnerte den 48-jährigen Girst an einen Fall von "#Meetoo avant la lettre". Wie verschlungen die Wege sein können, die zur korrekten Bestimmung eines literarischen Textes führen, zeigten dann Andreas Trojan und Elisabeth Tworek. Während für den Literaturprofessor die bei Hugo in dieser Szene vorkommende Ziege, mit der Esmeralda plaudert, "der Schlüssel" war, wechselte Tworek gleich die Kunstgattung. Das erwies sich als Glücksgriff. Als klar war, dass es sich bei dem in Frage stehenden Autor um einen der großen französischen Dichter des 19. Jahrhunderts handeln müsse, war es Tworeks Erinnerung an eine der vielen Verfilmungen von Hugos Meisterwerk, die zur Lösung führte. Mit neuen Informationen in der Titelfrage bereicherte dann Moderator Antonio Pellegrino das dritte Texträtsel. Aufgrund seiner Gespräche mit dem Übersetzer der aktuellen Neuauflage von Giuseppe Tomasi di Lampedusas literarischem Adelsepos "Il Gattopardo", Burkhart Kroeber und einem Nachkommen des Autors, sei gesichert, dass die ältere deutsche Übersetzung des Romantitels mit "Der Leopard" der neueren Variante "Der Gattopardo" überlegen sei. Auch im Italienischen habe der Titel ursprünglich "Il Leopardo" gelautet, die heute bekannte Version gehe auf einen Verhörer der sizilianischen Bevölkerung zurück. Für die Lösung benötigte das Rateteam nur wenige Minuten. Auch hier zeigte sich: Wenn es einen berühmten Film zum Buch gibt, wie in diesem Fall Luchino Viscontis Meisterwerk von 1963, hilft das den Literaturdetektiven schnell weiter.
Die Rezitatorin der Texte im Lyrikkabinett, die Schauspielerin Lisa Wagner, konnte dann beim Publikumsrätsel so richtig glänzen. Mit Nora Gomringers Identitätsgedicht "Ursprungsalphabet" ließ Wagner den Abend in fein getakteter Poetry-Slam-Manier zeitgenössisch ausklingen.
Nemo ; Ausstrahlung am Dienstag, 30. Juli, 21 Uhr, in den Radio-Texten auf Bayern 2-Radio