Literatur:Das sind die wichtigsten Romane des Herbstes

Zum Auftakt der Buchmesse: ein Debütroman, der genauso absurd ist wie sein Titel, Olga Tokarczuks "Die Jakobsbücher" und der Roman von Buchpreisträger Saša Stanišić.

Aus der SZ-Literaturredaktion

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Saša Stanišić: Herkunft

Herkunft - Sasa Stanisic

Quelle: SZ

Zuallererst der frisch gekürte Buchpreis-Gewinner: Anders als in früheren Büchern erzählt der aus Bosnien-Herzegowina stammende Saša Stanišić in "Herkunft" von sich selbst, von Vorfahren, Eltern, Freunden und von Jugoslawien, dem Land, das es nicht mehr gibt. Vor allem ist dieses Buch aber ein großer, wehmütiger Abschied von seiner Großmutter in Višegrad - und ein Buch also über Menschen, die Stanišić liebt. Und damit der hervorragende Fall einer autobiografischen Erzählung, die nicht um sich selbst kreist. Dafür wurde Stanišić zu Beginn der Buchmesse in Frankfurt mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.

Lesen Sie hier mit SZ Plus eine ausführliche Rezension von Marie Schmidt.

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Jackie Thomae - Brüder

Jackie Thomae - Brüder

Quelle: Hanser Berlin

Ein Chaot, Partytiger und Taugenichts im Berlin der Nachwendejahre und ein superfokussierter Architekt im London des frühen 21. Jahrhunderts, der bis zum Burnout arbeitet: Diese beiden Männer kennen sich nicht, aber sie haben denselben Vater. Den sie auch nicht kennen. Dieser Vater hat in den Siebzigern in der DDR studiert, als Gaststudent aus dem Senegal. Und er hat in Leipzig und Ostberlin je eine Frau mit einem kleinen Kind zurückgelassen. Jackie Thomaes "Brüder", das für den Deutschen Buchpreis nominiert war, ist eine "Great German Novel" über die Liebe unter Individualisten, vaterloses Aufwachsen, die Nachwende-Zeit. Die Frage, welche Rolle Hautfarben im Leben spielen kommt darin vor, aber nur als ein Thema unter anderen.

Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension von Marie Schmidt.

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Christopher Isherwood - Die Welt am Abend

Christopher Isherwood - Die Welt am Abend

Quelle: Hoffmann und Campe

Wenn etwas so gezielt Kitsch ist, dass es schon wieder Kunst ist, nennt man es Camp. Als sie diesen Begriff mit ihrem Essay "Notes on Camp" etabliert hat, bezog Susan Sontag ihre Idee aus einer "Zwei-Seiten-Skizze in Christopher Isherwoods 'Welt am Abend'". Zum ersten Mal kann das deutschsprachige Publikum jetzt nachlesen, was es damit auf sich hat. Hans-Christian Oeser hat das 1954 im Original erschienene Buch endlich übersetzt. Es ist ein Roman, dessen Hauptfigur über weite Strecken der Handlung im Bett liegt, der aber trotzdem mehr Wahrheit über Menschen, Schriftsteller und Liebesbeziehungen enthält, als manches Hauptwerk.

Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension von Jan Kedves.

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Cemile Sahin: Taxi

Cemile Sahin Taxi

Quelle: Korbinian Verlag

In Cemile Sahins Debütroman inszeniert eine Mutter die Auferstehung ihres Sohnes, der im Krieg verschollen ist. Was wenigen Debüts gelingt: ein ernstes Thema derart lustig ad absurdum zu führen, dass Ernsthaftigkeit dabei herauskommt. Die Sprache ist ungeschliffen, schlicht. Sehr direkt. Das Taxi ist ein Zustand, ein Übergang, dem alles "Eigene" für die Dauer der Fahrt abgeht, bis man irgendwo ankommt, aussteigt - und immer noch derselbe ist. "Taxi" ist tatsächlich genauso wie dieser Titel: irgendwas zwischen trashig, nachdenklich, absurd, politisch und ziemlich cool.

Lesen Sie hier mit SZ Plus die ausführliche Rezension von Birthe Mühlhoff.

5 / 8

Olga Tokarczuk: Jakobsbrüder

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Quelle: SZ

Immer mehr Romane und Filme wollen das Schweigen über das verdrängte jüdische Erbe brechen. Auch Tokarczuks Roman, laut Untertitel "den Landleuten zur Besinnung", ist eine Ausgrabung. Sie zeigt, dass polnische Juden zu Polen gehörten, auch wenn sie kein Polnisch sprachen, nicht katholisch waren, sich noch nicht einmal als Polen verstanden. Sie tut das ohne Vereinnahmung, ohne Verklärung, und nur in den allerseltensten Fällen ("Nachmans Atem geht auf wie der Teig einer Challa") in der Nähe zum Kitsch. Tokarczuks Roman scheint zum eher unangenehmen Genre des postmodernen epischen Schelmenromans zu gehören. 1000 sensible, zärtliche, trauererfüllte Seiten denkbar größter Literatur. Olga Tokarczuk wurde rückwirkend für 2018 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

Lesen Sie hier mit SZ Plus eine ausführliche Rezension von Fabian Wolff.

6 / 8

Karl Ove Knausgård: So viel Sehnsucht auf so kleiner Fläche

Karl Ove Knausgard So viel Sehnsucht auf so kleiner Fläche

Quelle: Luchterhand

Karl Ove Knausgård hat ein ganzes Buch über Edvard Munch und seine Werke geschrieben. Weil aber das Betrachten und das Beschreiben bei Gemälden so weit auseinandertritt, handelt dieses Buch vor allem davon, wie schwierig es ist, sie zu beschreiben. Immer wieder, während er versucht, mehr über Edvard Munch zu erfahren, kommt Knausgård auf die Frage zurück: Was ist Kunst, und warum vermag sie so viel zu bedeuten? Dank der ihm eigenen Mischung aus Neugier und Unsicherheit ist Karl Ove Knausgård ein glänzendes Buch gelungen.

Lesen Sie hier mit SZ Plus eine ausführliche Rezension von Thomas Steinfeld.

7 / 8

Margaret Atwood: Die Zeuginnen

Margaret Atwood Die Zeuginnen

Quelle: Piper Verlag

Und hier noch eine aktuelle Preisträgerin - Margaret Atwood erhält zusammen mit der britischen Autorin Bernardine Evaristo den Booker Prize 2019. "Die Zeuginnen", die Fortsetzung von Atwoods "Der Report der Magd", übertrifft den Vorgänger in Tempo, Handlungsreichtum und Dialog, es ist flotter geschrieben, stringenter gebaut, und es lässt keine Fragen offen. Allerdings schildert "Die Zeuginnen" eine reine Frauenwelt, in der Männer nur als Superschurken, indifferente Handlanger oder kanadische Frauen-Unterstützer vorkommen. Damit spiegelt Atwood den konventionellen feministischen Diskurs auf bestürzende und etwas öde Art. Aber die Unterdrückung der Frauen wird so schnell nicht aus der Mode kommen - vielleicht hat Atwood noch Zeit für einen Teil drei.

Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension von Meredith Haaf.

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Joshua Cohen: Auftrag für Moving Kings

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Quelle: SZ

Mit "Buch der Zahlen" hatte der amerikanische Schriftsteller und Ghostwriter Edward Snowdons, Joshua Cohen, die neuen Wahrnehmungsmuster in der Digitalisierung in Literatursprache übersetzt. Sein neuer Roman "Auftrag für Moving Kings" ist formal sehr viel näher am klassischen bürgerlichen Realismus. Er hat Figuren, in deren ziellosem Selbsthass und metaphysischer Unbehaustheit man sich leicht einfühlen kann, wenn man schon einmal mit amerikanischer Kultur zu tun hatte, und am Ende wird geschossen. "Wenn nicht die Juden Juden von ihrer absolut grässlichsten Seite zeigen, was dann?", fragte Cohen in einem Interview, als der Roman 2017 in den USA erschien. Trotzdem geht der Roman nicht ins Gericht mit seinem Protagonisten, er behandelt seinen unbändigen Drang zur Unterwerfung voller Verständnis - und erzählt die Fabel vom menschlichen Makel als Slapstick-Komödie.

Lesen Sie hier mit SZ Plus eine ausführliche Rezension von Felix Stephan.

© SZ.de/cag
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