Literatur:Exil ohne Ende

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Max Aub, gemalt im Lager Le Vernet von einem unbekannten Mithäftling namens "Carlos". (Foto: Teresa Álvarez Aub)

Das Spanische Kulturinstitut würdigt den kosmopolitischen Schriftsteller Max Aub

Von Antje Weber, München

Ein Notizbuch beginnt er 1944 mit den Worten: "Nada que decir." Nichts zu sagen? Das passt eigentlich gar nicht zum Schriftsteller Max Aub, der unter anderem den sechsbändigen Romanzyklus "Das Magische Labyrinth" über den Spanischen Bürgerkrieg geschrieben hat, mehr als 3000 Seiten. Und doch kann man es sich gut vorstellen, wenn man die kleine Ausstellung im Instituto Cervantes gesehen, kluge Eröffnungsreden von Aub-Experten wie Albrecht Buschmann gehört und das eine oder andere gelesen hat.

Nichts zu sagen - diesen Satz von Max Aub, in einer Vitrine in München konserviert, könnte man als ein Luftholen im Jahr 1944 in Mexiko interpretieren, eine kurze Pause in einem literarisch und biografisch überbordenden Leben; das Wort "überreich" möchte man in diesem Zusammenhang nicht verwenden, denn neben großen Höhen waren diesem Schriftsteller immer wieder tiefe Abstürze beschieden. Es war ein Leben in Extremen, zwischen verschiedenen Kulturen, zwischen Glamour und Lagerhaft, geprägt vor allem durch die gleich mehrfache Erfahrung des Exils. Und so muss man, will man das Werk des Schriftstellers Max Aub (1903 bis 1972) verstehen, viel über seine Biografie erzählen - und damit auch über die düsteren Seiten des 20. Jahrhunderts.

Kosmopolitischer kann ein Leben kaum sein: Max Aub wurde in Paris geboren, als Sohn einer großbürgerlichen französischen Mutter und eines Münchner Weißwarenhändlers fränkisch-jüdischer Herkunft - die Wurzeln der Familie sind im Städtchen Aub in der Nähe von Würzburg zu finden. Der kleine Max wächst zunächst luxuriös mit einem deutschen und einem französischen Kindermädchen auf. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs jedoch wendet sich erstmals das Blatt: Der deutsche Vater ist in Frankreich nicht mehr erwünscht, die Familie lässt sich im spanischen Valencia nieder. Aub fängt schon als Jugendlicher an, in der neuen Sprache Spanisch zu schreiben, er macht sich bald einen Namen, ist befreundet mit Dichtern wie Federico García Lorca, Filmemachern wie Luis Buñuel; im Spanischen Bürgerkrieg schließt er sich dem antifaschistischen Schriftstellerbund an. Als Kulturattaché der spanischen Botschaft lebt der polyglotte Autor zu Beginn des Zweiten Weltkriegs schließlich erneut in Frankreich.

Und wieder wendet sich das Blatt, werden ihm eine Denunziation als Kommunist und die jüdische Herkunft zum Verhängnis: Aub wird verhaftet, ins Lager Le Vernet gesperrt. Ungeachtet der eigenen Gefährdung hilft er nach der Entlassung anderen Verfolgten in Marseille bei der Flucht vor den Nazis. Sich selbst zu retten versäumt er, was ihm weitere Lagerjahre in Nordafrika einbringt, bis er und seine Familie schließlich in Mexiko Exil erhalten. Er verbringt dort die letzten Jahrzehnte seines Lebens - und bleibt doch, als immer wieder Ausgeschlossener, ein Heimatloser. Diese Erfahrung habe "seine Sinne geschärft", sagt der Aub-Spezialist Buschmann, habe zu seinem "besonders weiten Horizont des Denkens und Schreibens" geführt.

Es war der weite Horizont eines Avantgardisten, wie im Instituto Cervantes deutlich wird. Denn nicht nur sind in den Vitrinen neben Fotos eines melancholischen älteren Herren Notizbücher, Ausweise und Buchausgaben zu sehen; es hängen dort auch rätselhafte Gemälde eines gewissen Jusep Torres Campalans - sie stammen, unter falschem Namen, von Aub selbst. Und noch rätselhaftere Zeichnungen hängen dort, die Spielkarten darstellen: Dieses Werk von 1964 ist nicht nur tatsächlich ein Kartenspiel, sondern auf den Rückseiten der Karten zugleich als Roman zu lesen, mit fast unendlich vielen Lektüre-Möglichkeiten. Alle Texte auf den Karten kreisen um das unbekannte Schicksal einer Figur; doch, wie Buschmann sagt, "die Suche nach der Identität eines vermutlich Toten muss vergeblich bleiben".

Die Launen des Zufalls und die Vergeblichkeit, eine Identität zu finden - es sind starke Symbole für das immerwährend aktuelle Thema Exil, das letztlich nie endet. Denn im Warten auf eine mögliche Rückkehr vergeht die Zeit, verblasst ein Werk: Exil bedeute "Zeit multipliziert mit Abwesenheit", schrieb Max Aub. "Die Zeit tötet uns."

Rückkehr zu Max Aub , Ausstellung (plus Begleitveranstaltungen), bis 12. Dezember, Mo-Do 10-18 Uhr, Instituto Cervantes, Alfons-Goppel-Straße 7

© SZ vom 10.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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