Literatur:Erika Mann und Remixe

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"Schätze, die schlummern, nach oben holen": Das hat sich Anke Buettner für die Monacensia vorgenommen. Die neue Leiterin will das Haus noch stärker öffnen. (Foto: Eva Jünger)

Die Pläne der neuen Monacensia-Leiterin Anke Buettner

Von Antje Weber, München

Als die Stadt München 1958 anlässlich ihrer 800-Jahr-Feier zu einem Festmahl lud, gab es "gar schmackhafte Forellen", ein "zartes Rückstück vom Kalb" und am Ende eine "köstliche Crème nach Bayrischer Art, die lieblich im Munde zergehet". So nachzulesen auf einer Speisekarte, die in der Monacensia archiviert ist. 450 solcher historischer Speisekarten und Menüfolgen lagern in einer von zahlreichen Sondersammlungen des Literaturarchivs. Und die sollen nun sichtbarer werden.

Anke Buettner, seit Januar neue Chefin des Münchner Literaturarchivs, will solche Schätze "für die Gegenwart greifbar machen". Besonders wichtig ist es Buettner, die ihre Pläne im Hildebrand-Haus vorstellte, die Herausforderungen der "digitalen Transformation" zu meistern. Die Speisekarten zum Beispiel sind digitalisiert worden und dienen bald als Daten-Spielmaterial für die Entwickler- und Gamecommunity, bei einem sogenannten Kultur-Hackathon "Coding da Vinci" Anfang April in der Stadtbibliothek. Außerdem werden die Autoren Tobias Roth und Moritz Rauchhaus mit dem Koch Philipp Taucher vom Restaurant Broeding am 28. März einen Abend über Menüs im Wandel der Zeiten gestalten. "Wir sind sehr offen", sagt Buettner; es gelte, nicht nur die digitale Strategie, sondern auch die Form von Ausstellungen und Publikationen zu überdenken und sich in Kooperation mit anderen Institutionen weiterzuentwickeln.

Überhaupt möchte sie das Archiv weiter beleben und "zum literarischen Treffpunkt der Stadt" machen. Schon seit längerem bemüht sich Programm-Mitarbeiterin Lisa-Katharina Förster mit einer Reihe wie "Atelier Monaco" gezielt auch um jüngere Autoren und will "die ganze Bandbreite des Schreibens" vom Roman übers Drehbuch bis zu Songtexten vorstellen. "Die meisten Autoren bewegen sich in verschiedenen Disziplinen", sagt Förster. An den Schnittstellen zwischen Musik, Performance und Poesie agiert zum Beispiel Angela Aux aka Heiner Hendrix. Er wird im April und Mai immer wieder auf einer Schreibmaschine tippend in der Monacensia anzutreffen sein und sich Oskar Maria Grafs Roman "Wir sind Gefangene" in einer Art Remix nähern; am 6. Juni mündet das in eine "Revolutions-Performance".

Doch auch die "klassische Form der Literaturvermittlung" sei ihr wichtig, betont Buettner. Für Oktober kündigt sie zum Beispiel eine Ausstellung in guter Tradition an: Erika Mann wird dann die erste Einzelausstellung überhaupt bekommen. Die Kuratorin Irmela von der Lühe will sie einmal nicht als Tochter und Schwester im Familienkontext zeigen, sondern als politische Rednerin, Journalistin und Kriegsreporterin sowie Kabarettistin würdigen.

Dabei kann von der Lühe auf den schriftlichen Nachlass Erika Manns zurückgreifen, der in den Siebzigern als Schenkung in die Monacensia kam und bereits vor einigen Jahren digitalisiert wurde. Und natürlich werde sich die Monacensia auch weiterhin um die Vor- und Nachlässe von Münchner Schriftstellern bemühen, wie der fürs Archiv zuständige stellvertretende Monacensia-Leiter Frank Schmitter erläutert. Er sei froh über das frische Programm für das Haus, ergänzt er: "Die Autoren sollen wissen, dass sie bei uns nicht erst leben, wenn sie tot sind."

© SZ vom 15.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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